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Model Victoria Bonya im schulterfreien Kleid in Cannes.

Foto: Reuters/Tessier

Am Anfang gleich die gute Nachricht: Heute geht es hier nicht um Sportsocken, heute geht es hier um das ganz große Drama. Der waghalsige Carmen-Ausschnitt, der weniger Dekolleté als Schlüsselbein und Schultern ans Licht lässt, ist zurück. Gut so. Die Idee, die Schulterpartie bei diesen Temperaturen freizulegen, ist ja gar nicht mal schlecht.

Um so bedauerlicher, dass an dem seitlich heruntergerutschten Stück Stoff zuletzt vor allem moderesistente Randgruppen ihre Freude hatten. Deren ambitioniertes Stilvorbild: vermutlich Vivien Leigh als Scarlett O'Hara. Oder Madonna, die in den späten Achtzigern in "La Isla Bonita“ im roten Kleid die feurige Flamenco-Tänzerin gab. Bei so mancher blieb der Carmen-Ausschnitt seit 1987 irgendwie hängen.

Besonders ausdauernd hielten die Dirndl-Fraktion, Fantasy-affine Mittelalterfreaks, verblasste Schlagerstars oder Anna Netrebko an ihm fest. Der Grund dafür ist klar: An dem großzügigen Ausschnitt hängt gemäß "Vom Winde verweht“ jede Menge Drama. Puffärmel, Rüschen, bodenlange Leinenröcke oder Lederkorsagen. Dass das auf so wenig Raum nur danebengehen kann, muss nicht diskutiert werden.

Imagekorrektur

Entsprechend schlecht der Ruf des Carmen-Ausschnitts und der daran hängenden Blusen: trutschig, rüschig, trashig. Jetzt aber scheint der Zeitpunkt für eine Imagekorrektur gekommen. Schönes Beispiel: Veronika Heilbrunner, die 1,86 Meter lange stilbewusste Bohnenstange und Redakteurin der deutschen "Harper's Bazaar".

Sie ließ während einer Modenschau in Kopenhagen ihre Schultern aus einem heruntergezogenen, rüschig roten Vintagekleid von Nina Ricci herausspitzen.

Das sah wesentlich weniger dramatisch aus als damals bei Madonna. Und erinnerte ein bisschen an die Oberteile aus den Fünfzigern, die heute Bardot-Tops genannt werden. Dabei hatte die nicht nur die Bardot, sondern auch Marilyn Monroe an. Sah schon damals zu einer simplen Jeans zum Anbeißen aus. Und wäre der beste Beweis, dass Carmen-Ausschnitte nicht nur was für Mittelalterspiele und Flamenco-Auftritte im Volkshochschulzentrum sind.

Die schlagendsten Argumente, es mal mit "schulterfrei" zu versuchen, hält allerdings das Mode-Ressort aus dem Hause Fellner parat: "An den Schultern setzt man nur wenig Fett an, und diese Körperpartien bleiben auch im Alter nahezu faltenfrei.“ Erkenntnisse, die uns für den Rest des Sommers doch glatt die Ärmel runterziehen lassen. (Anne Feldkamp, derStandard.at, 12.8.2014)

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