Bozzetto heißt die Fotoarbeit von Lois Renner, die in der Galerie Mauroner präsentiert wird und das wie alle Arbeiten des Künstlers ein Wechselspiel aus Malerei und Fotografie sind.

Foto: Galerie Mauroner

Atmosphärisch stark sind Josef Hoflehners großformatige Fotoarbeiten in der Galerie Ruzicska: Park Deck, Oklahoma City ist 2014 auf einer ausgedehnten Amerikareise entstanden.

Foto: Galerie Ruzicska

Joan Miró schuf eine aus dem Schreiben und Zeichnen entwickelte Malerei, eine Poesie der Kritzel und Symbole. Die Galerie Welz zeigt unter dem Titel Sonne, Mond und Sterne seine druckgrafischen Werke, darunter La Traca I (Das Feuerwerk), eine farbige Aquatintaradierung von 1979.

Foto: Galerie Welz

Ohne Titel (Fliegende) titelt Johanna Kandls Malerei, die nicht nur vom neuen Brauchtum des Dirndlsprungs erzählt - zu sehen in der Galerie Altnöder.

Foto: Kandl/Galerie Altnöder

Der American Summer der Galerie Ropac versammelt die Künstler Alex Katz, Tom Sachs, Andy Warhol und Robert Longo. Von Alex Katz' sind in der Villa Kast Porträtbilder (hier: Laure und Alain, 1964/1991) aus 45 Jahren zu sehen.

Foto: Takeuchi/Galerie Ropac

Erwachen (2012) heißt dieses Objekt aus Kirschholz von Herbert Golser. Dessen sinnliche Arbeiten mit dem Naturmaterial sind in der Galerie Frey zu sehen. Dort ist auch Antonella Zazzera, die mit Kupferdrähten arbeitet, eine Ausstellung gewidmet.

Foto: Stefan Zenzmaier/Galerie Frey

Salzburg - Dirndlsprung? Ja tatsächlich: Dirndlsprung. Gemeint ist damit jedoch weder eine Variation der Kellerfalte am Traditionsgewand noch eine aus dem Dekolleté gehüpfte Büste - ein altösterreichischer Busenblitzer sozusagen. Nein, der Dirndlsprung ist ein Stück Brauchtum, allerdings jüngeren Datums, erfunden in diesem Jahrtausend im Ausseer Land. War das kunstvolle Juchee samt Wäschedirndl in den Sommersbergsee als einmalige Gaudi gedacht, so hat sich das erfrischende Köpfeln inzwischen zur liebgewonnenen Tradition (auch für Herren in Röcken) entwickelt.

Mit diesem Wissen verliert sich leider das Surreale des schicksalergebenen, rückwärtigen Sturzes vom Sprungbett, den Johanna Kandl auf Leinwand gebannt hat. Und trotzdem fasziniert das den flüchtigen Moment in einer theatralen Pose einfrierende Gemälde.

Surreal erscheint hingegen die Nachricht, die die Galerie Altnöder mit diesem Bild ihrer Festspielausstellung verknüpft: Nach 30 Jahren Galeriegeschäft wollen Heidi und Ferdinand Altnöder in neue Wasser eintauchen. Im Herbst ist nach mehr als "370 fast ausschließlich der österreichischen Moderne gewidmeten Ausstellungen" Schluss, sagt Ferdinand Altnöder. Eine Nachricht, die beim Kreisenlassen des Blicks nostalgisch macht: Bei Altnöder durfte man immer - etwa im schmalen Schlurf - besondere Blätter entdecken, so wie diesmal Alfred Kubins beängstigend schönes Blatt mit einen sturmdurchpflügten Traummeer, darin Wasser und Himmel ineinanderstürzen und Adlerbabys zu einem barocken Ornament verschraubt sind.

Die Motti der Salzburger Festspiele - heuer: der Erste Weltkrieg - haben sich selten im Programm der Galerien widergespiegelt; vielmehr scheinen die letzten Jahre von Betriebsjubiläen bestimmt. 2012 blickte die Galerie Mauroner bereits auf 40 Geschäftsjahre zurück; im Vorjahr feierte Thaddaeus Ropac 30 Jahre im Biz. 80 Jahre hat die Galerie Welz (die heuer auf quirlig-energetische Grafik von Joan Miró setzt) auf dem Buckel, immerhin runde zehn Jahre die Galerie von Nikolaus Ruzicska, der 2004 die Galerie Ropac nach 13 Jahren in Richtung Selbstständigkeit verließ.

Les plaisirs démodés (The old-fashioned way) nennt der Galerist, ein Chanson von Charles Aznavour (1972) zitierend, seine Schau. Die lyrisch-musikalischen Titel liegen ihm: 2012 lautete die Ansage take off your silver spurs and help me pass the time, einer Zeile aus Nancy Sinatras Summer Wine (1967).

Les plaisirs démodés darf man sehr wohl als Ansage verstehen; nicht in Bezug aufs Portfolio, das durch und durch der Gegenwart verpflichtet ist, sondern als nachdenklicher Fingerzeig und als Statement: Virtuell-digitalen Kunstmarktauswüchsen im World Wide Web setzt er - ironisch angehaucht und perfekt inszeniert - die "verstaubt-altmodischen Freuden" einer leiblich-sinnlichen Erfahrung im klassischen Ausstellungsraum entgegen. Untermauert wird das etwa mit den betörenden Tafelbildqualitäten der Großformatfotografie von Axel Hütte und dem noch weniger bekannten Josef Hoflehner. Malen mit Licht, das führt François Morellet vor; nüchterner die Lichtpoesie von Brigitte Kowanz.

Mediengrenzen überschreitend auch die Arbeiten von Ruth Root, die nun Textiles in ihre abstrakt-geometrischen Objektbilder einbindet. Und bei Clemens Wolf wird das Prinzip des Pochoir, der Schablonentechnik der Street-Art, zum stählernen Schattenriss.

Kunst mit der Säge

Anachronistisch, aber gerade deshalb bestechend ist hingegen die Sinnlichkeit des Materials in den Arbeiten von Herbert Golser. Die Galerie Frey präsentiert den ehemaligen Gironcoli-Schüler, der zunächst in Stein und Stahl arbeitete und sich erst 2008 als Endvierziger mit einer speziellen, von ihm selbst entwickelten Säge der Holzbildhauerei zuwandte. Das Holz fächert er durch raffinierte Schnitte auf, biegt und formt es, schafft Raum im duftenden Naturmaterial, aber er zerschneidet es nicht. Eine Entdeckung!

Mit solchen Überraschungen darf man in der Galerie Ropac nicht rechnen. Dort hat man den amerikanischen Sommer (u.a. mit Robert Longo und Andy Warhol) ausgerufen; das Wetter, das zu den gut bronzierten Lichtgestalten in Alex Katz' Porträts passt, ist in Salzburg heuer jedoch ausgeblieben. 45 Jahre kann man in Katz' stilistisch unveränderten Bildnissen Revue passieren lassen, weil sich ja doch Spuren der Zeit darin finden. Brutal, treffend, wenn auch plakativ Tom Sachs Piratenschiff in der Ropac Halle: Barbie Slave Ship heißt die Großskulptur, in deren Rumpf gefesselte nackte Püppchen verstaut sind. Ein Seitenhieb auf Sexarbeit und Menschenhandel.

Noch etwas kostspieliger als bei Ropac dürfte etwaiges Kunstshopping in der Galerie von Thomas Salis werden (ehemals Salis & Vertes), denn hier regiert die Klassische Moderne und nicht etwa die Gegenwart. Aber die Bilder von Kapazundern wie Max Ernst (Ohne Titel, 1960), Emil Nolde (Herbstabend, 1930) oder auch Alexej Jawlensky (Großes Stillleben, 1936) lassen einen ganz andächtig werden und für einen Augenblick aus dem Hier und Jetzt entführen.

Wenig Überraschungen und vertraute Namen

Vertraute Namen auch in der Galerie Mauroner: Von Jan Fabre ist etwa die der Sommerschau ihren Titel leihende Arbeit Symbiosis of Physicality and the Spiritual zu sehen, in der die Verschmelzung von Körper und Seele Gestalt annimmt: Schmetterling auf Gehirn - die Metapher ist relativ banal. Um Metamorphosen im weitesten Sinne geht es auch in anderen Arbeiten: etwa in Jan Voss' in Yves-Klein-Blau getauchtem Papierrelief, das zwischen Objekt und Malerei steht. Schleifenartig das Wechselspiel von Fotografie und Malerei bei Lois Renner: Fotoreproduktionen von Barockgemälden finden digital bearbeitet den Weg zurück auf die Leinwand; ein malerisches Zwischenprodukt, das erst über den neuerlichen Umweg der Fotografie zur fertigen Arbeit Renners wird.

Christian Ludwig Attersee, eifriger Besucher der Festspiele, kennt seit seinen Jugendtagen die meisten Staatsopernproduktionen. Musik liegt ihm, der 75.000 Tonträger besitzt, also im Blut. Und die Salome ganz besonders. Dieser Mix aus Erotik, Gefühlstrunkenheit und Askese hat die "Kunstmaschine" (Attersee über Attersee) in rasenden Gang gesetzt; geradezu besessen hat er eine orgiastische Bildwelt aus Attersee-Farben und -Formen, aus nackten Frauen, Brüsten, blumenumkränzten Mösen, aus mythischen Figuren, Sonnen, Tieren geschaffen, wovon man sich in der Galerie Heike Curtze überzeugen kann. Richard Strauss' Musik hat ihn (Strauss-Jahr!) quasi "salomisiert", auch wenn der Künstler lieber von der "Atterseeisierung" der Salome spricht. Dieser seiner Umwandlung konnte sich der heuer in Salzburg aufgeführte Rosenkavalier allerdings noch entziehen. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 14.8.2014)