Stefania Pitscheider Soraperra, Direktorin des Frauenmuseums Hittisau, lebt in einer ehemaligen Fabrik. Über das Wohnen mit Fundstücken in der Feldkircher Illschlucht erzählte sie Jutta Berger.

"Im Graben lebt es sich gut. Besser als wir gedacht hätten. Es stört mich nicht mehr, dass ich den Berg vor der Nase habe. Am Anfang hat es mich in Feldkirch schon belastet, dass man überall einen Gupf hat, der die Sicht verstellt: den Blasenberg, den Ardetzenberg, den Stadtschrofen.

Nachgebaute Möbel mag Stefania Pitscheider Soraperra nicht. Die Dinge sollten nicht anders tun, als sie sind, meint die Kunsthistorikerin. (Bildansicht durch Klick vergrößern)
Foto: Christian Grass

Wir sind vor neun Jahren von Wien nach Feldkirch gezogen. Zunächst in ein altes Haus aus den 1920er-Jahren, das ich sehr gemocht habe. Leider wurde es abgerissen. Wir haben lange überlegt: kaufen oder mieten? Auf die Mietwohnungen im Ganahl-Areal sind wir bei der Suche immer wieder gestoßen. "Ist schon die Härte, zwischen Schlucht und Stadteinfahrt zu wohnen", haben wir uns gedacht. Dann haben wir aber Freunde getroffen, die hier eingezogen sind. Das Wohnen sei jeden Tag wie Kino, haben sie geschwärmt.

Eine Wohnung, die wie Kino ist, mussten wir uns ansehen. Und die Aussicht ist Kino. Sie verändert sich fast täglich: im Winter weiß, im Herbst bunt, im Frühling ganz hellgrün. Und der Fluss Ill liefert den Soundtrack.

Die hohen Räume sind hell, luftig und weit. In unseren Berufen kommunizieren wir viel, sind oft exponiert. Hier machen wir die Türe hinter uns zu und lassen die Welt draußen. 180 Quadratmeter Nutzfläche auf zwei Ebenen, das ist großzügig. Eine große Wohnung ist uns wichtig, weil unsere Bücher Platz brauchen und wir gerne Gäste haben, und die sollen ein- und ausgehen können, wie sie wollen.

In Wien haben wir auch in einer alten Fabrik gewohnt, in den ehemaligen Argentor-Werken. Mir ist es sehr wichtig, dass Wohnräume Charakter haben. Ursprünglich waren auf diesem Areal die Ganahl-Textilwerke. Die Fabrik wurde 1885 gebaut und war rund 100 Jahre in Betrieb. 1994 wurde das denkmalgeschützte Gebäude zu einem Miet- und Bürohaus umgebaut.

Die Kunstwerke und Objekte, die uns umgeben, stehen eigentlich alle mit uns in Beziehung. Entweder weil wir die Künstlerinnen und Künstler persönlich kennen und mit ihnen zusammengearbeitet haben oder weil sie Reiseerinnerungen sind.

Unser Wohnstil ist keineswegs puristisch. Es ist viel da, aus unterschiedlichen Epochen. Die Stühle und Möbel sind ein Mix aus Flohmarkt-, Design-, Sperrmüll- und Erbstücken. Sie sind ein Querschnitt durch die Designgeschichte. Nachgebaute Möbel mag ich nicht. Die Dinge sollen nicht anders tun, als sie sind. Ich hab eine Zeitlang über Architektur geschrieben und bin in viele Häuser gekommen. Nur wenige waren dabei, in denen ich mich wirklich wohlgefühlt habe. Die meisten schauen super aus, sind clean, perfekt. Aber legt man einen Bleistift auf den Tisch, ist es vorbei mit der Harmonie. So wird's bei uns nie aussehen. Fertig eingerichtet werden wir nie sein. Vielleicht geh ich ja am Samstag auf den Flohmarkt ...

Ich hab ein Faible für Lampen. Die Lampen, die kommen einfach und sind dann da. Ich mag die unterschiedlichen Lichtstimmungen. Die meisten unserer Lampen stammen aus den 1970er-Jahren. Einige sind orange. Dass wir Lampen mögen, wissen viele Leute, und dann bekommen wir wieder eine geschenkt ...

Der aktuellste Zugang ist eine Glaslampe aus Triest. Sie erinnert mich an die wunderbare, 1977 geschriebene Novelle Famiglia von Natalia Ginzburg, in der der recht affektierte Protagonist Matteo Tremonti - er hat einen leichten Sprachfehler und benutzt v statt r - von einer Lampe sagt, sie sehe aus wie "ein pvesevvativo" (ein Kondom).

Ich mag einfach Dinge und Gebäude, die Geschichten erzählen." (DER STANDARD, 16.8.2014)