Wien - Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) ist offen dafür, den Diskriminierungsschutz etwa von Homosexuellen auf den Dienstleistungsbereich auszudehnen. Die ablehnende Haltung der ÖVP-Frauen versteht sie nicht: Es sei "eigentlich nicht einzusehen, warum eine christlich-soziale Partei wie die ÖVP" jetzt im Prinzip "Diskriminierer schützt", meinte Karmasin im APA-Interview.

Nach dem Sieg von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest wollte die SPÖ erneut einen Anlauf beim "levelling up" starten, holte sich aber wieder eine Abfuhr der ÖVP-Frauen. Mit dem "levelling up" würde Diskriminierung etwa aus Gründen der Religion, des Alters oder der sexuellen Orientierung auch außerhalb der Arbeitswelt verboten, also auch beim Zugang für sogenannte öffentliche Güter und Dienstleistungen.

"Auf Seite der Diskriminierten"

"Mir ist jede Diskriminierung ein Dorn im Auge und im Zweifelsfall bin ich auf der Seite der Diskriminierten und nicht der Diskriminierer, ganz entschieden", betonte Karmasin. Deshalb solle man sich ansehen, ob man eventuell den Diskriminierungsschutz auf den Dienstleistungsbereich ausweitet. Es sei "eigentlich nicht einzusehen, warum eine christlich-soziale Partei wie die ÖVP" jetzt im Prinzip "Diskriminierer schützt und nicht die Diskriminierten, außerhalb des Arbeitsbereichs".

Die Freiheit der UnternehmerInnen würde mit einer Ausdehnung nicht eingeschränkt, ist Karmasin überzeugt. Derzeit dürfe man in einem Jugendlokal zwar öffentlich nicht sagen, dass man eine ältere Frau wegen ihres Alters nicht als Kellnerin einstellt, sehr wohl sagen dürfte man aber, dass man die Frau wegen ihres Alters nicht bedient. "Das ist ein Ungleichgewicht, das für mich nicht nachvollziehbar ist."

Man solle offen über eine Änderung diskutieren, findet Karmasin. "Ich sehe jedenfalls die Nachteile nicht." Auch in Deutschland, wo dieser Schritt gesetzt worden sei, habe es keine Klagswelle gegeben. Außerdem verwies die Ministerin darauf, dass bereits jetzt acht von neun Bundesländern Regelungen zum Diskriminierungsschutz außerhalb des Arbeitsplatzes haben.

Ausnahme: Adoption

Die nach wie vor bestehenden Unterschiede zwischen eingetragener Partnerschaft und Ehe - etwa was Treuepflichten und ähnliches betrifft - sähe Karmasin ebenfalls gern beseitigt. Die Umstellung, dass Homosexuelle künftig ihre Partnerschaft auch am Standesamt besiegeln können und sie auch einen Familiennamen (und nicht nur Nachnamen) tragen dürfen, sei ja bereits akkordiert, hob die Ministerin hervor. Auch sonst sei jegliche Art der Diskriminierung zu beheben - auf eine Ausnahme besteht Karmasin aber dennoch, und zwar die Adoption.

Sie verstehe den Kinderwunsch von Lesben und Schwulen, betonte die Ministerin. Es bestehe ja auch die Möglichkeit, das leibliche Kind des Partners zu adoptieren ("Stiefkindadoption") oder ein Pflegekind aufzunehmen. Aber es gebe in Österreich zehn Mal mehr Paare, die ein (fremdes) Kind adoptieren wollen, als zur Adoption freigegebene Kinder - "aus Sicht des Kindes" sehe sie deshalb keine Notwendigkeit, hier etwas zu ändern, erklärte Karmasin.

Heinisch-Hosek erfreut über Bewegung

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) zeigte sich erfreut darüber, dass es beim sogenannten "levelling up" im Gleichbehandlungsgesetz Bewegung innerhalb der ÖVP gibt. "Es ist höchste Zeit für echte Gleichstellung und einen umfassenden Schutz vor Diskriminierung", erklärte Heinisch-Hosek gegenüber der APA.

Durch das "levelling up" könnten Personen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, Religion, Weltanschauung oder ihres Alters diskriminiert werden, auch außerhalb der Arbeitswelt Schadensersatzansprüche stellen, so die Frauenministerin.

Sie ortet nun durch die Aussagen Karmasins Bewegung in der ÖVP und geht davon aus, dass der Koalitionspartner die "Blockadehaltung" aufgibt. "Es kann nicht sein, dass wir bei der Ausweitung des Diskriminierungsschutzes außerhalb der Arbeitswelt zu den Schlusslichtern innerhalb der Europäischen Union gehören", so die SPÖ-Frauenvorsitzende. (APA/red, 19.8.2014)