Mit der Maschine sprechen.

Foto: Lukas Friesenbichler

Pro
Von Ljubisa Tosic

Die Mailbox - ein Paradies der freien Rede. Kein lästiger Widerspruch zu erdulden. Kein enttäuschter Blick zu verdauen. Keine zornige Faust, der auszuweichen wäre. Das Gegenüber ist nur eine Fantasie, deren Charakter frei geformt werden kann. Was gesagt werden muss, kann also offen gesagt werden. Die schönsten Mailbox-Freundschaften können entstehen - nebstbei wird so auch die edle Tradition der Brieffreundschaft in die Moderne herübergeführt.

Echte Nähe ist für die Offenherzigkeit eine chinesische Mauer. Im Schutz der Mailboxdistanz genießt das Wort hingegen ein geschütztes Dasein. Besonders geeignet ist der Mailboxdialog somit als Methode der Deeskalation im Konfliktfall. Komisch, dass die Weltpolitik das noch nicht entdeckt hat. Zuhören und Bedenken wird möglich, Antworten im Affekt unwahrscheinlich. Und noch was: Spricht einer auf seine eigene Mailbox, ist er schon mitten im produktiven Therapiegespräch mit einer Person, der die Wahrheit im Direktkontakt zu sagen ja unendlich schwerfällt.

Kontra
Von Heidi Aichinger

Beruflich lässt es sich kaum vermeiden, privat aber sehr wohl. Ich spreche auf keine Mailbox - nicht mehr. Das hat zunächst praktische Gründe: weil mit Sicherheit ein Rückruf mit "ich habe deine Nachricht nicht abgehört ..." zu erwarten ist und ich auf Wiederholungen dieser Art nicht stehe, aber auch weil ich auf Mailboxen oft nur mäßig Verständliches stammle, obwohl ich sonst nicht auf den Mund gefallen bin. Ich weiß auch nicht: Wenn die Ansage mit dem Nachrichtenhinterlassen losgeht, werde ich irgendwie schon unrund.

Der andere Grund ist: Ich bin kein Viel-, sondern eher ein Notfall- und Anlasstelefonierer und brauche daher sofort Antwort. Zum Beispiel: Ich nähe mir mit der Nähmaschine durch den Finger und suche medizinischen Rat. Gleichzeitig muss ich sofort loswerden, dass ich mir die Nadel samt Faden selbst mit der Kombizange rausgezogen habe. Solche Heldentaten spricht man auf keine Mailbox. Sie verlangen nach sofortiger Würdigung. (Rondo, DER STANDARD, 22.8.2014)