Was hilft auf dem Weg zur guten Leadership?

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Der Führungsalltag unterliegt multiplen Störungen und Anfälligkeiten. Auch die somit unvermeidlich gewordene Selbststeuerung hält Leader auf Trab.
Wie in Umbruchphasen systemimmanent, locken auch jetzt eine Menge an Heilslehren und Hilfsangeboten, die Erleichterung und Lösung der Führungsfragen versprechen. Das seit den 80-Jahren verwendete Modell der New Leadership behält allerdings seine Gültigkeit: So gehören Transaktionale Leadership und Transformationale Leadership zu fixen Bestandsgrößen in Curricula.

In unternehmenskritischen Phasen kommt Transaktionale Führung zum Einsatz, die auf rationalen Austauschbeziehungen basiert: Führungspersonen wie Geführte erbringen bestimmte Leistungen für bestimmte Belohnungen, Feedback und Kritik werden als Steuerungsmittel eingesetzt.

Transformationale Leadership ist Vorlage für zahlreiche Unternehmen, die durch permanente Veränderungsprozesse laufen: Dabei zeichnet sich Führungdurch charismatische Begeisterungsfähigkeit, Fürsorge sowie intellektuelle und kreative Stimulanz mit großer Vorbild- und Sogwirkung aus.

Die aktuelle Führungsforschung geht sogar soweit, den "transformationalen Super-Leader“ zu erkennen, der Merkmale der transformational-charismatischen Führung, transaktionale Komponenten und empowering leadership in sich vereint.

Beobachtung Nr. 1: Verschiedene Führungsansätze werden synergetisiert, um lebhaftem, veränderlichen Unternehmensgeschehen gerecht zu werden.
Integral Leadership, basierend auf dem Modell von Ken Wilber, nimmt auf Komplexität und Reifegrad des Unternehmens und seiner Protagonisten Rücksicht. Das Modell ist vor allem bei tiefen kulturellen Transformationen hilfreich: Es gibt Aufschluss über den kulturellen und organisationalen Entwicklungsstand und zeichnet somit vor, wie und welche Einstellungsveränderungen möglich sind.

Beobachtung Nr. 2: Die Antwort auf eine komplexe Unternehmensrealität ist eine komplexere Sichtweise der Herausforderungen.
Klassischen Führungssysteme haben zunehmend ausgedient. Organisationen gehen dazu über, Kompetenzen von Führungskräften – Fähigkeiten, aber auch Einstellungen – präzise und einzeln zu definieren. So entsteht ein Kanon möglicher Leadership-Ausrüstung, aus dem im "Kompetenzbasierten Leadership-Ansatz“ die relevanten Kompetenzen ausgewählt und zu „Kompetenz-Bündeln“ geschnürt werden – individuell auf die Organisation zugeschnitten, dazu, je nach Unternehmen, sehr variantenreich und zudem im zeitlichen Fluss: Wechseln die Anforderungen, verändern sich die Bündel. Und damit die Anforderungen an Führungskräfte, die auch im volatilen Umfeld strukturieren und der Organisation Handlungsanweisung geben sollen.

Beobachtung Nr. 3: Kompetenzmodelle werden immer wieder erneuert. Führung bekommt ein temporäres Ordnungssystem.
Die seit dem vorigen Jahrhundert bekannten "Management-by“-Konzepte bleiben weiterhin präsent. In diesem Umfeld sind zwei methodische Ansätze zu erwähnen, die von den USA ausgehend im Leadership Developement einziehen: Neuro-Leadership basiert auf der jüngsten Hirn- und Verhaltensforschung und verspricht in relevanten Dimensionen des Führens – Entscheidungsfindung, Emotionsregulation, Veränderungsmanagement und Zusammenarbeit – effektive Ansätze der Bewältigung.

Um handlungsrelevanten Einstellungswandel und persönliche Steuerung zu verbessern, vertrauen mittlerweile große Unternehmen auf Mindful Leadership. Es zielt darauf ab, das eigene Bewusstsein ganzheitlich zu schärfen. Intuition, Hausverstand – auch diese Ressourcen werden genutzt, um mit den multiplen Störungen und Strömungen des Unternehmensalltags zurande zu kommen. Google beispielsweise setzt seit 2007 in seiner Führungskräfte-Fortbildung das Konzept „Search Inside Yourself“ ein, in dem sowohl fernöstliche Meditationspraktiken als auch Neuro-Leadership vermittelt werden.

Beobachtung Nr. 4: Gedankengut aus fernöstlicher Lebensführung und junge Erkenntnisse der Neurowissenschaft sowie der Behavioural Sciences schaffen breitere Sicht und Interpretation auf Vorgänge in der Organisation. Leader sind nicht nur im Team und im Unternehmen – sie sind auch, im Rahmen ihrer "Self-Leadership“, mehr bei sich.
Der Ruf nach Sinn-Systemen für Unternehmen und damit für die Führungsleistung ist nicht nur durch die neue Generation Y virulent geworden. Vielerorts ist der Sinn auch aus Resignation und Ermüdung über steten Profit-Druck, Projektifizierung und brutale Cost-Cutting-Programme abhanden gekommen.

Sinn- und Wertesysteme zu etablieren, ist gerade in turbulenten Zeiten sehr fordernd: Die Gefahr einer Schieflage zwischen proklamierten und tatsächlich gelebten Werten wird da eklatant. Ebenso die Spanne zwischen Unternehmenswerten und individuellen Werten. Als zukunftstauglicher Ansatz erweist sich hier Brand Centered Leadership: Es versteht die Unternehmenswerte als Basis der Marke, die Marke dient somit als verlässlicher Identitätskern für alle Handlungen im Unternehmen. Ethisches Verhalten und die Passung zwischen Führungskraft und Unternehmenswerten erfahren dabei hohe Aufmerksamkeit.

Beobachtung Nr. 5: Führen mit Werten über den Transmissionsriemen der Marke macht Leadership spürbar, evaluierbar und sinnvoll.
Die pathologischen Phänomene der Führung, wie etwa Narzissmus, Psychopathie oder Soziopathie, sind ebenfalls Ausprägung unseres Wandels und gehören mittlerweile ebenso zur so genannten Leadership Literacy wie die konstruktiven Konzepte. Die pathologischen Phänomene kommen meist im Zuge der Gesundheitsvorsorge zur Diskussion. Es gilt, diese Phänomene zu kennen, zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu treffen.

Beobachtung Nr. 6: Führungskräfte setzen sich nicht nur mit den konstruktiven, sondern auch mit den destruktiven Seiten von Führung auseinander, um resilient und robust zu agieren.
So wie Open Source und selbstlernende, soziale Organisation in den Steuerungen der IT Einzug gehalten haben, verändert sich auch Leadership zum offenen System. Wer die Lust an permanenter eigener Weiterentwicklung im Kaleidoskop der wirtschaftlichen und organisationalen Volatilitäten noch nicht entdeckt hat, sollte sich umgehend updaten lassen. (DER STANDARD, 23./24.08.2014)