Blumfeld wiedervereint. Zumindest für die Weile einer Tour anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums ihres zweiten Albums "L'État Et Moi". Von links: André Rattay, Jochen Distelmeyer und Eike Bohlken.

Foto: Frank Egel

Wien - Elvis war nicht wichtig. Gut, der Rock 'n' Roll hatte die Leben der Mitglieder von Blumfeld verändert, das schon. Aber der King war nicht in der Form bedeutsam, in der ihn die Hamburger Band für ihr Album L'État Et Moi zitierte. Dieses belieh Presleys Scheibe 50.000.000 Elvis Fans Can't Be Wrong. Auf dem grinst ein vervielfältigter König aus einem goldenen Anzug in die Welt. Ein harmloser Midas der Neuzeit. Sogar Lemmy von Motörhead gibt es in dieser Aufmachung.

Blumfeld klebten für das Cover von L'État Et Moi einfach wichtige Köpfe aus dem Umfeld der Band auf die goldenen Anzüge, als kleine Würdigung. Zwanzig Jahre ist das her, und Blumfeld haben sich 2007 aufgelöst, ihr Sänger, Jochen Distelmeyer, war zuletzt als Solokünstler unterwegs.

Doch es gab da einen Blumfeld-Fan, der sich nicht geirrt haben wollte und der Distelmeyer auf der Straße angesprochen hatte, ob die Band zum Jubiläum dieses Albums etwas geplant hätte.

Distelmeyer hatte nicht einmal daran gedacht, er war da noch mit Romanschreiben beschäftigt. Doch als er diese Idee an die beiden anderen Gründungsmitglieder herantrug, André Rattay und Eike Bohlken, fanden sie Gefallen an dem Vorschlag, damit auf Tour zu gehen. Ende nächster Woche ist es so weit: Blumfeld spielen auf ihrer Tour "20 Jahre L'État Et Moi" in Wien und Linz.

Von einer Reunion will Distelmeyer dennoch nicht sprechen, er bleibt mit "alles kann, nichts muss" vage. Klar ist hingegen, es wird kein bloßes Abspielen des Albums, das wäre für ihn ein Indiz mangelnden Vertrauens ins eigene Werk. Davon ist er frei. Nicht einmal eine Zeitreise will er das Unterfangen nennen, denn er hat die Lieder ja immer wieder gespielt, sie besäßen nach wie vor Relevanz.

Agitativ und poetisch

Blumfeld waren 1992 mit dem Album Ich-Maschine aufgetaucht. Sie zählen zu den Begründern der Hamburger Schule, zu der auch Bands wie Die Sterne oder Tocotronic gehören. Deren wesentliches Merkmal waren die deutschen Texte, die die eigene Gefühligkeit in Bezug auf die vorherrschende Gesellschaft thematisierten. Gescheit, blumig, agitativ, poetisch. Nicht leicht zu fassen. Damit wurden sie eine der einflussreichsten deutschen Bands der vergangenen 25 Jahre.

Der Themenpool Distelmeyers war im gerade wiedervereinten Deutschland gut gefüllt: ein in Richtung Nationalismus überschwappender Patriotismus, eine neue Fremdenfeindlichkeit, ein innerdeutscher Kolonialismus und, und, und - und mitten drinnen das empfindsame Individuum, das sich mit einer sehr angesagten Rockmusik US-amerikanischer Prägung dagegen auflehnte. Ein psychohygienischer Akt, den das Trio einer breiten Öffentlichkeit als Möglichkeit zur Stellungnahme anbot.

Das war ein gefundenes Fressen für das Zentralorgan der Gegenkultur jener Tage, für das damals noch in Köln ansässige Musikmagazin Spex. Es umarmte Blumfeld und ihren Frontmann bis über die Grenzen der Vereinnahmung, was fast schon wieder eine Form des seitenlang verteufelten Patriotismus zeitigte.

Songs als Rubrik

Ein Blumfeld-Liedtitel wie Verstärker tauchte plötzlich als Rubrik im Heft auf, Textfragmente fanden sich in Rezensionen anderer Bands wieder, die ganze Welt wurde unter dem Eindruck von Blumfeld auf Deutungsmöglichkeiten übergeprüft. Hat Distelmeyer sich damals zart überinterpretiert gefühlt?

"Grundsätzlich haben wir uns über die Reaktionen gefreut, aber was für uns alle zu kurz kam, war die Tatsache, dass wir Musik gemacht haben. Darüber definierte man uns primär auf Touren im Ausland, in England oder den USA, wo der Großteil des Publikums die Texte gar nicht verstanden hat und trotzdem total abgegangen ist."

Die (Sprach-)Grenzen einer sogenannten Diskursband bedeuteten für diese also eine Befreiung. "Ich habe ja die Band nie als eine deutsche oder deutschsprachige Band gesehen, sondern uns mehr als Zugehörige des Kontinents Rock 'n' Roll verstanden. Ich habe mich ja auch mit Musik von anderen Ländern stärker verbunden gefühlt als mit der hiesigen. Dass die Clubs in den USA dann voll und die Abende sehr ausgelassen waren, war eine schöne Bestätigung unserer Arbeit."

Fundamente legen

Zur Grundlagenarbeit der Band gehörte eine Verweigerungskultur. L'État Et Moi wurde damals zwar weltweit vertrieben, für die Plattenfirma gab es jedoch eine Liste, auf der die Band Medien notiert hatte, mit denen sie auf keinen Fall sprechen würden, Medien wie der Spiegel oder Focus. Distelmeyer spricht davon, dass es damals in Hamburg oder Berlin erst einmal darum ging, Fundamente für ihre Haltungen zu schaffen.

Dazu gehörte konsequenterweise der Verzicht, bei einem Majorlabel zu veröffentlichen, obwohl es Angebote gegeben hätte. "Das ist wie in der Muckibude, da packst du dir auch nicht gleich die schwersten Gewichte drauf, sondern trainierst nach deinen Bedingungen."

Heute, nach sechs Blumfeld- Alben und einem Solowerk, sieht der 47-Jährige das naturgemäß gelassen. "Es ist ja schon seit längerem klar, wofür Blumfeld oder ich stehen. Und ich glaube, unsere Songs sind stark genug, um vor Vereinnahmung, die einem nicht lieb sind, einen Punkt machen zu können." (Karl Fluch, DER STANDARD, 21.8.2014)