Erst am Montag hat sogar der Chefunterhändler des palästinensischen "Islamischen Jihads" bei den Verhandlungen in Kairo gemeint: "Der Krieg ist jetzt hinter uns." Umso frustrierender ist es, dass jetzt, wie in einer Zeitlupenwiederholung, wieder die gleichen Horrorszenen abgespult werden: die Alarmsirenen und die Sprints in die Schutzräume in Südisrael, die Toten und die zerbombten Häuser im Gazastreifen. Es ist ein unzumutbarer Zustand und ein unerträglicher Anblick - aber niemand findet die Stopptaste.

Die von Ägypten vermittelten Gespräche über eine nachhaltige Waffenruhe waren offenbar an einem toten Punkt angelangt. Die Hamas hatte von Anfang an für die Einstellung ihrer Raketenangriffe einen politischen Preis gefordert. Das Minimum, das die Hamas verlangt, liegt weit über dem Maximum, das Israel zu geben bereit ist.

Umgekehrt wird die Hamas niemals ihrer eigenen Entwaffnung zustimmen - nichts anderes wäre die von Israel ins Gespräch gebrachte "Entmilitarisierung" des Gazastreifens.

Während der bisherigen langen Kriegswochen hat ein breiter israelischer Mainstream, der etwa auch die oppositionelle Arbeiterpartei einschließt, die Politik von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu unterstützt. Sie bestand im Wesentlichen darin, den militärischen Druck auf die Hamas um jeweils eine Stufe zu erhöhen und abzuwarten, ob das ausreichte, die Islamisten dazu zu bewegen, dass sie ihre Raketenwerfer wieder einmotten.

Israelische Linkspolitiker weisen jetzt mit Recht darauf hin, dass diese Politik - am bisherigen Ergebnis gemessen - gescheitert ist. Bis auf den Umstand, dass vermutlich fast alle Angriffstunnel der Hamas zerstört wurden, ist die Lage der Israelis heute um nichts gemütlicher als vor einem Monat. Die gleiche Zwischenbilanz zieht auch das rechte Lager: Bloße Abschreckung wirke gegen die radikalen Gruppen nicht; man müsse eine "militärische Entscheidung" suchen und "die Hamas bezwingen".

Die Formel "Ruhe wird mit Ruhe beantwortet", mit der die israelische Führung bisher operiert hat, scheint tatsächlich nicht zu funktionieren. Denn sie bedeutet letztlich, dass die Initiative bei der Hamas bleibt. Sie behält den Finger am Abzug und kann wieder losballern, wann immer es ihr gefällt.

Die bittere Wahrheit ist aber, dass man dagegen wenig machen kann. Ein "Friedensvertrag" mit der Hamas ist undenkbar, denn sie strebt von ihrer Ideologie und Praxis her keinen palästinensischen Nationalstaat an, sondern die regionale "Herrschaft des Islam". Einschüchtern lässt sich die Hamas, wie man sieht, auch durch schwerste Verluste nicht.

Der "Sturz" der Hamas samt Vernichtung ihres gesamten Raketenarsenals wäre - wenn überhaupt - nur durch eine breite Bodenoffensive des israelischen Militärs und durch die Wiederbesetzung des Gazastreifens herbeizuführen - ein viel zu blutiges und politisch für die Regierung Netanjahu wohl kaum durchzustehendes Szenario.

Die Israelis werden also wohl weiterhin Nase an Nase mit einem erbitterten Feind leben müssen, der sich mit Vorliebe durch Raketen und Entführungen manifestiert. Die einzige Hoffnung auf Veränderung ist, dass das Hamas-Regime von innen, nämlich von der eigenen palästinensischen Bevölkerung, abgeschüttelt wird. (Ben Segenreich, DER STANDARD, 20.8.2014)