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Nicht nur die IS hat Kämpferinnen: Angehörige des Ahbab-al-Mustafa-Bataillons in einer Moschee in Deif al-Dawla in Aleppo.

Foto: REUTERS/Muzaffar Salman

Wien - Unter den Extremisten, die sich aus westlichen/nördlichen Ländern in Richtung "Islamischer Staat" (IS) in Bewegung setzen, sind auch Mädchen und Frauen. Frauen im Jihad machen noch immer Schlagzeilen, um so mehr, wenn sie als Täterinnen sichtbar werden. Das Mehr an Öffentlichkeit ist neben pragmatischen Gründen bestimmt ein Teil der Motivation, warum die Jihadisten - die an sich ihre Frauen ja am liebsten hinter hohe Mauern verbannen würden - ihnen eine aktive Rolle zugestehen.

Frauen im Jihad sind nichts Neues: Als der irakische Bürgerkrieg 2008 schon am Auslaufen war, gab es plötzlich einen rasanten Anstieg von Selbstmordattentäterinnen: Dreißig Frauen sprengten sich in nur wenigen Monaten in der Absicht, möglichst viele Menschen in den Tod zu reißen, in die Luft. Dies wurde auch als Symptom gewertet, dass der Aufstand in die Defensive geriet: Attentäterinnen mit ihren alles verbergenden Abayas taten sich leichter, die Sicherheitsvorkehrungen auszutricksen.

Aber schon vorher befasste sich die Wissenschaft mit dem Phänomen der weiblichen Mitglieder radikaler Gruppen. Sie waren bereits bekannt, aus Sri Lanka, Eritrea, Palästina, der Türkei, Tschetschenien, aber auch aus El Salvador und Peru oder aus dem libanesischen Bürgerkrieg, wo die Syrische Sozialnationalistische Partei einen Attentäterinnenanteil von fast fünfzig Prozent hatte. Das heißt auch, religiöse Radikalisierung ist keine Voraussetzung - auch wenn sie die westliche Fantasie besonders anregt, wie etwa der aus der (katholischen) sexuellen Mottenkiste entlehnte Begriff "Bräute Allahs" demonstriert.

Auf Twitter verkündet nun laut Al-Arabiya News eine offenbar aus Großbritannien stammende, zum Islam konvertierte Frau namens Khadijah Dare, sie werde die erste britische Frau sein, die "einen britischen oder amerikanischen Terroristen töten will". Unmittelbar nach der Enthauptung von James Foley durch einen britischen Muttersprachler kann die Botschaft nur so verstanden werden, dass auch sie zum Messer zu greifen beabsichtigt.

Ob dieser Wunsch eine reale Basis hat, ist unbekannt, auch wenn sie sich als "Immigrantin in Syrien" bezeichnet. Viele Unterstützer des "Islamischen Staats" im Westen sind weiblich, manche davon Konvertitinnen - der radikale Islam fischt laut dem Islamwissenschafter Olivier Roy dabei ungefähr im gleichen Pool wie in den 1970er-Jahren die linksextremen Gruppen, die damals das Thema Antiimperialismus und US-Feindlichkeit besetzt hatten. Diese Ideologie ist für Männer und Frauen gleichermaßen attraktiv.

Auch auf die Frage, warum sich Frauen in Krisengebieten solchen Gruppen anschließen, hat die Wissenschaft die Antwort, dass sich die Motive von Frauen nicht wesentlich von den männlichen unterscheiden: lokale politische. Die Geschichte von "gefallenen" Frauen, die durch ihre Tat ihre Schuld begleichen, oder von "ausgenützten" oder "verführten" Frauen bekommen jedoch mehr Aufmerksamkeit, weil sie besser dem Klischee entsprechen, dass eine Frau eigentlich nur aus emotionalen Gründen zur Akteurin wird. Typisch sind auch Geschichten aus dem Irak, dass geistig benachteiligte Frauen als Selbstmordattentäterinnen eingesetzt wurden.

Es gibt aber doch ein Motiv, das man weiblich nennen könnte: Laut Nimmi Gowrinathan in Foreign Affairs ist es die Erwartung von mehr Sicherheit innerhalb einer radikalen Gruppe, als - als potenzielles Opfer - außerhalb. Im Westen hingegen könnte auch die Bekämpfung des Stereotyps "Musliminnen sind machtlos" eine Rolle spielen.

Al-Khansaa-Brigade

Vom "Islamischen Staat" heißt es, dass er eine rein weibliche Brigade hat, die Al-Khansaa. Allerdings ist die Idee, radikale Frauen unter dem Beinamen (er bedeutet sowohl Hirschkuh als auch Kurznasige) einer frühislamischen, angeblich vom Propheten Muhammad bewunderten Dichterin zu sammeln, schon vor mindestens zehn Jahren Al-Kaida gekommen. So hieß die Website des "Frauen-Informationsbüros".

Die Al-Khansaa-Brigade der IS wurde in der syrischen Stadt Raqqa aufgestellt, offenbar anfangs als eine Art weibliche Religionspolizei für Frauen. Aber da dies sonst eine typisch männliche Aufgabe ist, gibt es Grund zur Annahme, dass den Jihadistinnen auch eine wichtige Sicherheitsaufgabe zugedacht ist: Die Al-Khansaa können Frauen an Checkpoints untersuchen und verhindern, dass sich unter dem schwarzen Vollkörperschleier feindliche Kämpfer verbergen. Ob das Raqqa-Modell auch in andere IS-kontrollierte Gebiete transferiert wird, ist noch nicht absehbar. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 23.8.2014)