Ein grausamer Krieg zwischen Israel und dem Gazastreifen, der in seinem Verlauf von beiden Seiten zu einer Entscheidungsschlacht hochstilisiert wurde, endet wie die anderen vor ihm auch. Ziele erreicht, sagt Israels Premier Benjamin Netanjahu; die Hamas vergattert ihre in Geiselhaft gehaltenen Bürger zu Siegesfeiern. Die von Ägypten vermittelte Waffenstillstandsvereinbarung sieht mehr oder weniger so aus wie die, welche die Hamas wochenlang nicht annehmen wollte - und wie jene, die die letzte Gaza-Kriegsrunde 2012 beendete.

Aber wenn letztlich die - nach der "Liquidierung" dreier Führungspersönlichkeiten durch Israel schwer getroffene - Hamas nachgegeben hat, ist es dann nicht ein Sieg Israels? Das kommt darauf an, denn die israelischen Kriegsziele wechselten. Dieser Waffenstillstand ist zwar provisorisch, gilt jedoch, wenn er denn hält, unbeschränkt. Das heißt, auch Israel gibt sich erst einmal mit dem "kleineren" Kriegsziel zufrieden: der Zerstörung der Angriffstunnel und der Einschränkung der Angriffsmöglichkeiten der Hamas und der anderen radikalen Gruppen. Das ist eine Rückkehr zum ungeliebten Status quo. In dem Interimsabkommen ist keine Rede von der geforderten Demilitarisierung des Gazastreifens, auch wenn Israel heute mehr Sicherheiten hat als 2012 - als in Ägypten der Muslimbrüderpräsident Mohammed Morsi herrschte -, dass Hamas und Konsorten ihr Werk nicht mehr so leicht von vorne beginnen können.

Auch die Hamas bekommt so gut wie nichts. Ihre Kriegsziele waren ja zu keiner Stunde dieses Konflikts wirklich greifbar. Falls es tatsächlich noch zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lebensbedingungen im Gazastreifen durch eine Öffnung desselben kommen sollte, dann wird das Hand in Hand mit einem Machtverlust der Hamas gehen: Alle ihre Forderungen sind nur mit einer Reetablierung der Palästinenserbehörde im Gazastreifen zu machen. Falls die Hamas ihre eigene Aufwertung im Sinn hatte und ihren - ihr durch ihre Schwäche aufgezwungenen - Partner Mahmud Abbas abschütteln wollte, so ist das nicht gelungen. Auch ihre Isolation in der arabischen Welt ist nicht gebrochen. Die Hamas ist abhängig vom muslimbrüderfeindlichen ägyptischen Regime - das so nebenbei gemeinsam mit Saudi-Arabien und den Arabischen Emiraten eine antiislamistische Militärkampagne in Libyen begonnen hat. Und der alte Verbündete Iran hat andere Sorgen und kooperiert mit den USA im Irak.

Dennoch ist der Preis, den Israel zahlt, hoch und in seiner Bedeutung noch gar nicht abzusehen. Indem es die Waffenruhe in diesem Format akzeptiert, tritt Israel in einen Verhandlungsprozess ein: mit der Hamas, auch wenn der von Israel vielgeschmähte Präsident Abbas vorne sitzt. Nur so kann Israel die "größeren" Kriegsziele erreichen, die eine Änderung des Status quo bringen. Und das relativiert wiederum Israels Behauptungen, die Hamas sei nichts anderes als der "Islamische Staat". Die Hamas ist schrecklich, aber sie ist ein Produkt des Nahostkonflikts. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 28.8.2014)