Bild nicht mehr verfügbar.

Der französische (Noch-)Finanzminister Pierre Moscovici

Foto: AP Photo/Petros Giannakouris

Brüssel - Nach dem Streit um die rangmäßig wichtigsten EU-Posten ist vor dem Streit um die einflussreichsten Ämter in der Kommission: Diese Formel galt in Brüssel am Tag nach der Nominierung des künftigen Ständigen Ratspräsidenten Donald Tusk aus Polen und der Hohen Beauftragten für die EU-Außenpolitik Federica Mogherini. Sie wird gemäß EU-Vertrag gleichzeitig auch Vizepräsidentin der Kommission sein.

Die Auswahl der 41-jährigen italienischen Außenministerin ermöglicht es dem gewählten Präsidenten Jean-Claude Juncker, sein Team zu fixieren und die Zuständigkeiten auf die von den Mitgliedstaaten genannten Kandidaten zu verteilen. Es ist ein Puzzlespiel, das er in ein bis zwei Wochen komplettiert haben will.

Das Ringen um den künftigen Kommissar für Wirtschafts- und Währungspolitik dürfte sich zugunsten des früheren französischen Finanzministers Pierre Moscovici entscheiden. Laut "Spiegel" soll die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ihren Widerstand gegen den Sozialisten aufgegeben haben. Berlin hatte Bedenken, die Europolitik in der Kommission jemandem in die Hand zu geben, der für die Finanzmisere in Paris verantwortlich war.

Aber: Da die Christdemokraten mit Tusk einen der Ihren als EU-Präsidenten bekommen haben, ist die Bereitschaft zum Kompromiss gewachsen. Dies auch deshalb, weil man sich informell auf den spanischen Finanzminister Luis de Guindos, einen Konservativen, als möglichen Nachfolger des Mitte 2015 ausscheidenden Eurogruppenchefs Jeroen Dijsselbloem verständigt hat. Das bestätigte Nochpräsident Herman Van Rompuy.

Moscovici könnte aber auch ein aufgefettetes Dossier für Beschäftigung und Investitionen bekommen, der Deutsche Günther Oettinger Kommissar für Außenhandel werden. Mit Mogherini haben Europas Sozialdemokraten nicht das entscheidungsmächtigste Amt für sich entschieden. Außenpolitik ist, wie man an der Ukraine sieht, Sache der Nationalstaaten bzw. der Regierungschefs. Diese bekommen mit Tusk einen sehr erfahrenen Premier als Koordinator, der ab 1. Dezember Gastgeber bei EU-Gipfeln sein wird.

Tusk (57) hat Polen sieben Jahre lang regiert, ist ein Wirtschaftsliberaler, der für ein hartes Auftreten gegenüber Moskau eintritt - im Gegensatz zu Mogherini. Die Wirtschaftskrise seit 2008 hat Tusk sehr erfolgreich gemeistert. Als Mitstreiter der Gewerkschaft Solidarnosc, der schon 1980 für die Freiheit seines Landes kämpfte, gilt er als überzeugter Anhänger der EU-Integration, auch des Beitritts seines Landes zum Euro. Seine Wahl löste in Polen Jubel aus: Vom Präsidenten abwärts ist man stolz, sogar aufseiten der Opposition. (Thomas Mayer, derStandard.at, 31.8.2014)