Während alles Sein aus vier Elementen besteht, nämlich Feuer, Wasser, Luft und Erde, „finden die Waldviertler erst mit sieben Elementen das Auskommen“, schreibt Thomas Sautner in der Liebeserklärung an seine Heimat, Waldviertel steinweich. Auf der „Zwei Flüsse-Radtour“ begeben wir uns nun auf die Suche nach all diesen Waldviertler Inhaltsstoffen.

Doch unbescheiden, wie wir nun einmal sind, beginnen wir in Zwettl gleich mit einem weiteren, dem inoffiziellen achten Element: alte Gemäuer. Um die kümmern sich die Waldviertler offenbar besonders, so penibel in ihrem alten Charme belassen, wie sie wirken. Die vielen Barock- und Renaissancegebäude, das Alte Rathaus, die Wehrtürme, die feschen Wirtshäuser und Plätze – sie alle bezeugen eine gewisse Sorgfalt der Bewohner mit ihren Lebensräumen. Vom Busbahnhof kommend radeln wir also entlang der steinalten Stadtmauer stadtauswärts und schließen uns bald der Zwettl an.

1. Element – Wasser

Im Waldviertel gibt es rund 1400 Teiche und Flüsse wie die Thaya, die Krems, den Kamp und die Zwettl. Wasser hat das Waldviertel also tatsächlich im Überfluss. Nah am Ufer des „Bachls“, wie die Waldviertler selbst mächtige Flüsse zu nennen pflegen, führt der nicht-asphaltierte und deswegen besonders schöne Weg ins Zwettltal. Halt bei der „Graselhöhle“, eher ein Felsspalt, wo sich Anfang des 19. Jahrhunderts der legendäre – und gleichsam als regionaler „Robin Hood“ verehrte – Räuberhauptmann Johann Georg Grasel versteckt haben soll. Dann folgen wir wieder der – aufgrund des hohen Gehalts an Huminsäure und Eisen leicht bräunlich gefärbten – ruhig dahinziehenden Zwettl.

2. Element – Stein

Ohne seine steinerne Basis wäre das Waldviertel wohl nicht das Waldviertel, oder wie Sauter es formuliert: „Ohne den Granit läge das Waldviertel darnieder – und nicht auf einem Hochplateau. Ohne seine Restlinge, Wackelsteine, Schwedenkreuze, Schalensteine wäre es seines Schmuckes beraubt.“ In der Tat fallen auf unserer Route überall die sogenannten Restlinge auf. Es sind von der Witterung abgeschmirgelte Überbleibsel des granitenen Unterbodens im steinreichen Waldviertel.

Kurz vor Syrafeld verlassen wir den Wald und tauchen in gepflegte Feldlandschaft ein. Wir haben Mühe, die verschiedenen Getreidearten auseinanderzuhalten, die da über den Radweg hängen. In Gschwendt begegnen wir schließlich dem 3. Element – Erpfe, auch Erdapfel genannt. Die hiesige Spezialität ist allgegenwärtig – auf den Feldern, in Kellern und auf Speisekarten sowieso. Aus dessen Zubereitung haben die Waldviertler eine Wissenschaft gemacht, in der sie kaum zu übertreffen sind.

Kurz nach Gschwendt, noch vor der Schwarzmühle, wechseln wir in das stille Kamptal. Und spätestestens zwischen Schwarz- und Gschwendtmühle werden die Müßiggänger unter den Radlern vor lauter Stehenbleiben nicht mehr vorankommen: Bilderbuchansichten von romantischen Flussbuchten laden zum Baden ein – derzeit zumindest der Radlerwadeln.

4. Element – Der Wald

Er gehört hier einfach zum Programm, zum Charakter, zum Wesen des Waldviertels – ganz besonders trifft das auf den schattigen Abschnitt bis zur Gschwendtmühle zu. Erst danach regt sich der Hunger, also steigen wir über eine steile Forststraße zum Restaurant Schwarzalm auf. Und damit wären wir auch gleich beim 5. Element – dem Mohn: Selten wo wird der Mohn so variantenreich verarbeitet wie in der Waldviertler Küche; er steckt im Knödel, im Strudel, in der Nudel – und hier auch in einer exzellenten Mohntorte.

Nun auf derselben Forststraße hinunter und dem Kamp weiter folgen, bis man ein E-Werk passiert und über eine Sandstraße die Kampbrücke erreicht. Gleich nach der Bründlkirche am Osthang des Propsteiberges folgen wir schließlich der Kamptalgasse zurück bis nach Zwettl, wo wir schon wieder in einem der zahlreichen Wirtshäuser landen: Immerhin gilt es, noch in den Genuss des 6. und 7. Waldviertler Elements zu kommen: Bier und Karpfen alias „Teichschweindl“, wie der Fisch hier normalerweise heißt. (Thomas Rambauske, Album, DER STANDARD, 06.09.2014)