Wien - Die Annahme, zwei ähnliche Arten könnten nicht in der gleichen ökologischen Nische von den gleichen Ressourcen leben, hat die Natur vielfach widerlegt. Beispielsweise fressen Heringe und Sprotten in der Ostsee dieselben Planktonarten und besetzen sehr ähnliche ökologische Nischen. Wie solche Arten stabil koexistieren können, ist eine der Schlüsselfragen der modernen Ökologie.

Eine verbreitete Theorie namens "Relative Nonlinearity of Competition" (RNC) schlägt vor, dass dies nur in einer dynamischen Beziehung möglich ist, in der Arten unterschiedlich auf Schwankungen des Ressourcenangebots reagiert - bei Fischen etwa im Fall einer plötzlich auftretenden Algenblüte. Demnach würde jede Art zeitweise vom Einfluss einer anderen auf die Umwelt profitieren.

Entwicklung statt Koexistenez

Wie Forscher um Ulf Dieckmann vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien nun im Fachblatt "Plos One berichten", greife dieser Erklärungsansatz aber langfristig zu kurz: Denn die Evolution würde die ursprünglichen Unterschiede, die ein Zusammenleben erlauben, zum Verschwinden bringen.

Berechnungen mit drei unterschiedlichen Evolutions-Modellen wären alle zum selben Ergebnis gekommen, so Dieckmann: Die beiden koexistierenden Arten würden durch Anpassung verloren gehen und eine Art entstehen, deren Eigenschaften quasi in der Mitte liegt.

Interdisziplinarität gefordert

Es müsse also noch etwas anderes dahinterstecken, dass in der Natur sehr ähnliche Arten stabil über Jahrtausende nebeneinander existieren können, die RNC-Theorie bietee nur eine kurzfristige Erklärung. Diese Theorie sei wohl bislang überschätzt worden, so Dieckmann.

Das Problem sei, dass Evolutionsforscher und Ökologen meist isoliert arbeiten und kaum kooperieren würden. "Deshalb hat wohl noch niemand daran gedacht zu fragen, ob dieser Mechanismus evolutionär stabil sein kann", so der Biomathematiker. (APA/red, derStandard.at, 8.9.2014)