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Dass die Bevölkerung im November 1978 gegen Atomkraft stimmte, bescherte Zwentendorf im Tullnerfeld ein Industriedenkmal. Atomstrom gibt es dennoch in Österreich.

Foto: APA/Fohringer

Wien - Vergangenes Jahr waren die heimischen Haushalte und Klein- und Mittelunternehmen (KMU) erstmals atomstromfrei. Bis 2015 soll das bei allen Endkunden der Fall sein, auch bei Industrieabnehmern. Damit sei Österreich in Europa der Vorreiter, sagte Energie-Control-Vorstand Martin Graf am Mittwoch und plädierte dafür, dass auch andere europäische Länder die Stromkennzeichnung vorantreiben.

2013 seien bereits 93,2 Prozent der in Österreich verbrauchten Elektrizität mit einem Herkunftsnachweis versehen gewesen, nach 92,7 Prozent im Jahr davor. Umgekehrt ist der Graustrom-Anteil von 7,3 auf 6,8 Prozent gesunken, den niedrigsten Wert seit 2007. Nur Industriebetriebe würden zum Teil noch mit solchem Strom unbekannter Herkunft beliefert, sagte Graf und erinnerte daran, dass gesetzlich ab dem Jahr 2015 in Österreich überhaupt kein Graustrom mehr an Endkunden abgesetzt werden darf. Nicht einmal ein Drittel des Graustroms - 2,55 (2,59) Prozentpunkte - würde rechnerisch aus Atomkraftwerken stammen, im europäischen ENTSO-E-Mix (ohne erneuerbare Energien) seien es 37,5 Prozent des Stroms unbekannter Herkunft.

Wasserkraft vor Windkraft

Größtes Asset für die Atomstromfreiheit ist die Wasserkraft - aus heimischer Produktion, aber auch durch Wasserkraft-Zertifikate aus Norwegen. Laut Stromkennzeichnungsbericht 2014, den Graf am Mittwoch präsentierte, stammten vergangenes Jahr neben den geringen Mengen Grau- und Atomstrom immerhin 78,6 Prozent aus erneuerbaren Energien und 14,4 Prozent aus fossilen Quellen. Im Erneuerbare-Teil stellte den Großteil (68,1 Prozentpunkte) die Wasserkraft, 5,34 die Windkraft, 3,7 Prozentpunkte Biomasse; beim Fossil-Strom stammten 9,25 Prozentpunkte - deutlich weniger als 2012 (13,22 Prozentpunkte) - aus Erdgas und rund 5,1 (4,7) aus Kohle.

Durch den Vormarsch der Erneuerbaren habe sich auch die Umweltbilanz verbessert, sagte Graf. Die CO2-Emissionen pro verbrauchter Kilowattstunde seien 2013 im Schnitt um 20 Prozent auf 103,33 Gramm zurückgegangen, 2012 waren es noch 129,27 Gramm CO2/kWh. Durch die 2013 beschlossene vollständige Stromkennzeichnungspflicht müsse ab heuer auch Strom aus Pumpspeicherkraftwerken gekennzeichnet werden, erste Zahlen dafür gebe es aber erst 2015.

Knapp drei Viertel (73,1 Prozent) der für die Stromkennzeichnung eingesetzt Nachweise stammen aus Österreich, ein Fünftel (19,6 Prozent) kommt aus Norwegen, danach folgen Schweden (3,8 Prozent), Slowenien (2,5 Prozent) sowie die Niederlande, Deutschland, Dänemark und die Schweiz. Doppelzählungen würden dabei vermieden, so Graf.

Strom mit "Label"

Künftig werde es mehr Länder geben, die den Strom mit einem "Label" versehen, hofft Graf. Schließlich sei die Stromkennzeichnung auch ein Markenaspekt. Das zeige, dass sich die Zahl der Grünstrom-Lieferanten in Österreich im Vorjahr um 25 auf 81 erhöht habe. Auch im Tarifkalkulator der E-Control könne man gezielt nach Strom aus erneuerbaren Energien suchen.

Es würde weniger als 400.000 Euro kosten, mit lückenloser Stromkennzeichnung in Österreich auch noch die restlichen 6,8 Prozent Graustrom wegzubekommen, rechnete Graf auf Basis der norwegischen Label-Preise vor. Die liegen bei zehn Cent pro Megawattstunde (MWh), in Österreich geht es noch um etwa 3.700 GWh Graustrom. Alle Zertifikate zusammen kosten in Österreich "einige Millionen Euro, aber deutlich unter zehn Millionen Euro", so Graf. Das seien nur 0,2 Prozent des Strompreises und recht wenig angesichts von mehr als drei Milliarden Euro Elektrizitätsumsatz allein bei der Energiekomponente.

Ob man sich mit der Stromkennzeichnung nicht selbst in den Sack lüge, weil physikalisch gesehen Österreich doch nicht atomstromfrei sei, wurde Graf gefragt. Natürlich erfolge die Lieferung der Elektrizität immer getrennt von der vertraglichen Situation - für die Elektronen in den Leitungen gelte das Ohmsche Gesetz, antwortete er. Was bedeutet, dass sich Strom den Weg des geringsten Widerstands sucht und daher in der Regel vom nächstgelegenen großen Kraftwerk kommt.

Kritik von Greenpeace und Global 2000

Greenpeace zeigte sich in einer Reaktion erfreut darüber, dass speziell die kommunalen Versorger dem Wunsch der Bevölkerung nach Atomstromfreiheit nachkämen und Graustrom aus ihrem Angebot verbannen würden. Dem Verbund wirft Greenpeace aber Doppelzüngigkeit vor, denn während man Privatkunden mit Wasserkraft versorge, liege der Anteil von Atomstrom bei Industriekunden nach wie vor bei 27,5 Prozent, wie die Organisation am Mittwoch in einer Aussendung erklärte.

Die Umweltorganisation Global 2000 forderte ein Umdenken in den Führungsetagen der Energiekonzerne und einen Ausstieg aus der Kohleverstromung, denn der E-Control-Bericht zeige, dass viele Energiekonzerne "Wölfe im Schafspelz" seien. So fehle beim Verbund nach wie vor ein klarer Ausstiegsplan aus der Verstromung von Kohle. Auch die EVN vertreibe zwar über eine Tochter Grünstrom, sei aber auch Co-Betreiber des Kohlekraftwerks Dürnrohr. Die Verbrennung von Kohle zur Stromerzeugung sei in Österreich mit Klimaschutz und Energiewende unvereinbar.

Mitterlehner: Österreich Vorreiter bei Erneuerbaren

FPÖ-Umwelt- und -Energiesprecher Norbert Hofer kritisierte in einer Aussendung, die derzeit implementierten Klimaschutzmechanismen würden zu einer Renaissance der Kohle führen und jene Staaten bevorzugen, die viel Atomstrom produzieren. Der Weg müsse zu verbindlichen Zielen führen, die ausschließlich den Erneuerbare-Anteil betreffen.

Wirtschaftsminister und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, in der Regierung zuständig für Energie, betonte die Vorreiterrolle Österreichs in der EU auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien und bezeichnete den E-Control-Bericht als gutes Zeugnis auch für das Ökostromgesetz. Mit der generellen Strom-Herkunftsnachweis-Pflicht ab 2015 werde ein einheitliches und transparentes Kennzeichnungssystem geschaffen, das den Kunden eine ökologische Stromauswahl ermögliche und Österreichs konsequente Anti-Atom-Linie mit Maßnahmen untermauere. (APA, 10.9.2014)