Wird neuer Direktor des Wien-Museums: Matti Bunzl.

Foto: christian fischer

Eigentlich ist die Aida schuld. Nicht die Oper, sondern die Konditorei, genauer die Filiale beim Praterstern. Anfang März, während eines Aufenthalts in der Heimat, saß Matti Bunzl wieder in seiner Stamm-Aida, möglicherweise ließ er sich eine Kardinalschnitte Himbeer schmecken, die seine Aida-Lieblingsmehlspeise ist, und in der Zeitung las er, dass die Direktion des Wien-Museums ausgeschrieben wurde, weil Wolfgang Kos im Herbst 2015 in Pension gehen werde.

Bunzl, der aus einer jüdischen Familie stammt und 1971 als Sohn des Nahostexperten John Bunzl geboren wurde, hat viele gute Erinnerungen an das Haus am Karlsplatz, das damals, als er in der Leopoldstadt aufwuchs, noch Historisches Museum der Stadt Wien hieß: Dessen Ausstellung Traum und Wirklichkeit von 1985, in der die Geschichte Wiens von 1870 bis 1930 quasi psychoanalysiert worden war, stellte für ihn ein "intellektuelles Schlüsselerlebnis" dar.

Nach der Matura ging Bunzl in die Vereinigten Staaten, um in Stanford Anthropologie zu studieren. 1993 wechselte er an die University of Chicago, wo er 1998 promoviert wurde. Seither forscht und lehrt er an der University of Illinois at Urbana-Champaign: 2003 wurde er Associate Professor, 2008 Full Professor. Seine Themen sind unter anderem das Judentum, der Antisemitismus und die Islamophobie, er beschäftigt sich auch mit theoretischen Fragen der Kunstvermittlung oder der Museologie der Avantgarde. Seit 2012 ist Bunzl zudem Intendant des Chicago Humanities Festivals. Es findet im Herbst statt, als Motto gab Bunzl heuer prophetisch "Journeys" aus.

Bunzl wollte, wie er sagt, nicht auswandern: Er ist "einfach hängengeblieben", hat Karriere gemacht. Und im März, als er von der Ausschreibung las, dachte er sich: "Das Wien-Museum wär' doch was." Er verfügt nicht nur über Managementerfahrung und Enthusiasmus: Seine erste wissenschaftliche Arbeit untersuchte das Wien der Jahrhundertwende. Noch im Flieger zurück nach Chicago schrieb Bunzl seine Bewerbung. Nun wurde er als Nachfolger von Kos vorgestellt.

Bunzl wird seinen pragmatisierten Job aufgeben - und heimkehren. Auch Billy Vaughn, sein Lebenspartner seit 21 Jahren, kommt mit: Die beiden heirateten offiziell im März. Vaughn, ein Pianist und Musikwissenschaftler, geht mit dieser Reise ein Lebenswunsch in Erfüllung. Ein weibliches Wesen kommt übrigens auch mit: ein Mops namens Elsa. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 11.9.2014)