Modewoche, Tag zwei, eine traurige Regenschirmparade. Auch entlang des roten Teppichs, der den Weg ins Zelt weist. Dass das Wetter die Wiener Modewoche im Griff hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Umso schöner, dass das Zelt auch an Tag zwei bis in die hinteren Ränge besetzt ist.

Bevor allerdings Michèl Mayer loslegt, ist das junge Publikum auf den Rängen noch mit Selfies-Machen beschäftigt: Arm ausfahren, Kussmund in die Kamera und Knips. Dann segeln schon die ersten Kleider über den Laufsteg: Michèl Mayer mag Drapiertes und Wasserfall-Ausschnitte, flatternde Marlene-Hosen und offene Strickwesten. Dazwischen steife Neopren-Kleidchen und Spitze. Dass die Show kein Ende nehmen will, mag daran liegen, dass die Designerin alle Facetten ihres Tuns vorführen möchte. Hochzeit, Couture, Sommerkollektion 2015: Wer wie Mayer fast 20 Jahre in Wien Mode macht, muss Vielseitigkeit beweisen.

Eine lange, schulterfreie Robe von Michèl Mayer.
Foto: Philipp Enders / Michél Mayer

Ganz anders Lena Kvadrat für ihr Label Art Point. Das scheint sich diesmal ganz an die Generation Instagram zu richten. Auf den Plätzen liegen runde weiße Pappbrillen, die gleich auf den Nasen landen und für Handy-Knipsereien herhalten. Die Schau beginnt wie abgestimmt auf das Regentrommeln über dem Zeltdach mit einem Donnergrollen. Endlose Variationen des Kleinen Schwarzen marschieren über den Laufsteg.

Kleines Schwarzes von Lena Kvadrat.
Foto: Thomas Lerch

So weit, so gut, würde in Sachen Accessoires nicht die Devise "Mehr ist einfach mehr" verfolgt werden. Die Models also zur Unkenntlichkeit verkleidet: mit Sonnenbrillen, extravagant haarigen Baseballkappen, Skateboards unter dem Arm und Boxhandschuhen über den Händen. Da geht fast unter, dass Lena Kvadrat Models unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Konfektionsgröße über den Laufsteg schickt.

Damit wird eine Chance vertan. Eine Stunde später werden nämlich wieder ganz konventionell die Endlosbeine und "echten Männer" beklatscht. Die kommen natürlich in den Ledersachen von Callisti ziemlich gut zur Geltung. So viel offensive Sexyness scheint der Stimmung im Zelt gut zu tun. In Reihe eins: Society-Sirene Irene Mayer mit ihrem Prachtkerl, gegenüber sitzt Nazar, die momentane Nummer eins von Universal Österreich. Die gute Laune macht allerdings auch vor den oberen Rängen nicht halt. Sogar von da werden die Leder-Latzhosen, perforierten Lederhemden, Shorts und luftigen Kleider, von Ledergeschirr in der Taille festgehalten, beklatscht.

Transparentes Kleid von Callisti.
Foto: Thomas Lerch

Während bei der Modeauktion der AFA am Dienstag die prämierten Designer unsichtbar blieben, dreht Designerin Martina Müller bei Callisti ihre obligatorische Runde über den Laufsteg, reckt die Arme in die Höhe, das Publikum erhebt sich. Von so einem bisschen Regen lassen sich echte Modefans die Laune ganz sicher nicht verderben. (Anne Feldkamp, derStandard.at, 12.9.2014)