Schwaz - Es gebe durchaus Parallelen zwischen hiesigen Komponisten und jenen aus den nordischen Ländern, meinte Klangspuren-Chef Matthias Osterwold vor der Festivaleröffnung. Die Probe aufs Exempel lieferten Bjarke Mogensen (Akkordeon) und Toke Møldrup (Violoncello) mit ihrer Zugabe - einer verfremdeten Fassung des Liedes "Täuschung" aus Schuberts Winterreise, ironische Wendungen inklusive, die fast von der Osttiroler Musicbanda Franui stammen hätten können.

Längst ist neue Musik ein Feld schier unbegrenzter Möglichkeiten, und allein der Auftakt für die folgenden zweieinhalb Wochen war gescheckt wie das Fleckvieh der Tiroler Almen. So landete neben den von Heavy Metal inspirierten "fourchanniballads" von Bernhard Gander mit ihren rauen Song-Strukturen das zarter besaitetere "Archipel" von Joanna Wozny: eine überlegen instrumentierte Farbenstudie und zugleich weit mehr als das. Tastend schieben sich bestän- dig verwandelte Orchesterakkorde durch ein imaginäres Raster, strahlen weiter in spannungsreiche Stille: Musik unter der Zeit-Lupe.

Als ob es gewollt gewesen wäre, setzte sich das Spiel mit der Zäsur auch in den beiden Uraufführungen fort: im "Choral für Luigi Nono" von Hans Abrahamsen, einem merkwürdigen Gebilde aus schlichten tonalen Bruchstücken wie aus einer Partitur Mozarts.

Und in der "Chromatischen Weltmusik (ohne fremde Elemente)" von Christian Winther Christensen geisterte Schuberts Täuschung durch einen Schattentanz aus huschenden Geräuschklängen, die immer wieder grotesk auf der Stelle traten. Wie Don Quijote und Sancho Panza kämpften die Solisten Mogensen und Møldrup mit diesen lustvollen Widrigkeiten, nur dass sie daraus ebenso erfolgreich hervorgingen wie das bestens bestellte Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter seinem souveränen Chefdirigenten Francesco Angelico.

"Nordlicht" heißt das diesjährige Motto. Osterwold betonte, man könne die Naturerscheinung tatsächlich hören. In Schwaz und Umgebung erklingt jedenfalls viel Abgelegenes und Originelles, wie immer ergänzt durch Gespräche, Filme, die traditionelle Pilgerwanderung und vielfältige Vermittlungsprogramme. Außerdem gibt es heuer viel Altes und Neues von Wolfgang Mitterer, dem ein Porträt gewidmet ist. Das Festival läuft bis zum 27. 9. (Daniel Ender, DER STANDARD, 13.9.2014)