Mikroskopische Aufnahme von funktionalen Textilfasern: Chemiker entwickeln Beschichtungen, die wasserabweisend und trotzdem umweltfreundlich sind.

Foto: UIBK

Thomas Bechtold, Leiter des Forschungsinstituts für Textilchemie der Universität Innsbruck.

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Es gibt Kleidung, die mehr kann als nur getragen werden: Zum Beispiel eine Jacke, die wärmt und, wenn man sie wendet, kühlt. Für sportliche Aktivitäten in den Bergen soll das vom Tiroler Start-up Polychromelab entwickelte Stück mit dem klingenden Namen "Alta Rossa" (rotes Hochgebirge) ideal sein. Das Kunststoffmaterial, ein dreilagiges Laminat, reflektiert die Wärme nach innen und nach dem Wenden nach außen.

Der Glungezer, ein Nachbargipfel des Innsbrucker Patscherkofels, diente als Open-Air-Testlabor. Hier wurden auf 2610 Metern Höhe Schaufensterpuppen mit den Kunststoffjacken aufgestellt. So wurde analysiert, wie sich das Material bei unterschiedlichen Wetterbedingungen verhält.

Ein solches Kleidungsstück wird natürlich nicht aus purer Lust am Experimentieren entwickelt. Der weltweite Markt für smarte Textilien wurde 2012 von Analysten auf 290 Millionen US-Dollar (umgerechnet 224 Millionen Euro) geschätzt - ob es sich nun um Kleidung handelt, die sich wie im vorliegenden Fall auf wundersame Weise an die Bedürfnisse der Käufer anpasst, oder um Kleidung aus Stoffen, in die immer kleiner werdende Elektronik hineinverwoben wurde. In den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren wurden bereits zahlreiche Ideen umgesetzt.

In Deutschland entwickelte man zum Beispiel einen Body für Babys, der Vitalfunktionen überwacht und im Gefahrenbereich Signale aussendet. Auch Handschuhe, mit denen man telefonieren kann, gibt es schon, berichtete das WDR-Magazin Planet Wissen.

Laufschuh mit Rechner

Das erste Forschungsobjekt war der Sportschuh. Vor mehr als 20 Jahren entwickelten Forscher einen Laufschuh, in dem ein kleiner Rechner eingebaut wurde, um die Wegstrecke zu berechnen. Am MIT in Boston wurde ein Fußballschuh entwickelt, der für die Analyse des Spielstils seines Trägers wertvolle Daten liefert.

In Tirol und Vorarlberg, wo die Textilverarbeitung eine lange Tradition hat, wollen nun 21 Unternehmen und Verbände sowie vier Forschungseinrichtungen, die schon Erfahrung mit smarter Kleidung haben, verstärkt auf den Trend setzen: Sie haben das Projekt "Textiles" gestartet. Insgesamt werden dabei 2,3 Millionen Euro lockergemacht. 640.000 Euro kommen vom Land Tirol, 450.000 Euro vom Land Vorarlberg. Beteiligte Unternehmen wie Fussenegger und Grabher oder die Spinnerei Feldkirch wenden weitere 1,1 Millionen Euro auf.

Der geringste Anteil am finanziellen Kuchen wird von den wissenschaftlichen Partnern aus den Bereichen Medizinforschung, Sportwissenschaften und Textilverarbeitung zur Verfügung gestellt: Sie ergänzen das Budget um 115.000 Euro.

Thomas Bechtold, Leiter des involvierten Instituts für Textilchemie der Uni Innsbruck, sieht bei der Entwicklung intelligenter Stoffe für den Sport mehrere Herausforderungen. Derzeit gängige Outdoorkleidung sei dank Fluorcarbon wasserabweisend. Dies erkennt man an einer einfachen Beobachtung: Wassertropfen perlen ab und werden vom Material nicht aufgesogen.

Giftige Beschichtung

Bei der Herstellung dieser Schutzschicht entstehen allerdings Stoffe mit starker Umwelt- und Gesundheitsgefährdung: Perfluoroctansulfonate und Perfluoroktansäure. Die Verwendung dieser toxischen Substanzen wird seit etwa acht Jahren innerhalb der EU beschränkt, bis 2016 sollen sie ganz vom Markt verschwinden.

Bechtold bestätigt: "Fluorcarbon ist persistent und lagert sich in der Umwelt ab. Wir suchen nach einem geeigneten Ersatz - und der muss natürlich zur Anwendung des Textils passen." Silikonchemie werde forciert, ist aber relativ teuer. Bechtold appelliert dabei an die Ausrüster und Käufer: "Outdoorkleidung, die derzeit am Markt ist, zeichnet sich durch hohe Leistungsfähigkeit aus. Ich glaube nicht, dass es immer die Ultraausrüstung sein muss."

Stickerei-Produkte im Ski

Bechtold und sein Team forschen aber auch an neuen Skiausrüstungen. Was das mit Textilchemie zu tun hat? "Die Stoffproduzenten aus Vorarlberg und Umgebung sind in den vergangenen zehn Jahren Materialverarbeiter geworden." Das heißt: Stickereien entwickeln Leichtbauteile für Skis. Die Textilchemiker testen, wie sich diese Strukturen legen lassen können, damit der Ski die gewünschte Verformbarkeit hat. Stickereien liefern aber auch Bestandteile von Rucksackschnallen, die diese leichter machen - was für Wanderer, Bergsteiger und Tourengeher Vorteile bringt.

Aber natürlich sind auch Ausrüster von Spitzensportlern an smarten Textilien interessiert, deshalb sind sie bereits mit Bechtold und seinem Forscherteam in Kontakt: Durch Reibung an der Kleidung verloren Langläufer bisher Energie. Und das sind bei einer Strecke von zehn bis 20 Kilometern immerhin ein paar Sekunden. Im Spitzensport ist das nicht akzeptabel.

Anzunehmen, dass Wissenschafter dafür sorgen, dass mit einem neuen Textil die Energie bald in noch bessere Rundenzeiten auf Loipen umgesetzt wird. (Peter Illetschko, DER STANDARD, 17.9.2014)