In "Johnny und Jean" spielt Teresa Präauer, die in Salzburg, Berlin und Wien, wo sie heute auch lebt, Germanistik und Malerei studiert hat, ihre Doppelbegabung voll aus.

Foto: christian fischer

Zwei junge Männer, beide aus demselben Dorf, aber nicht näher miteinander bekannt, treffen einander nach dem Sommer in der "zweitgrößten Stadt" des Landes bei der Aufnahmeprüfung für die Kunsthochschule. Jean schafft die Aufnahme auf Anhieb, Johnny erst ein Jahr später. Den Vorsprung von Jean wird der stille Johnny, der allen eine Zigarette dreht, nie mehr einholen, aber er eifert ihm nach, bewundert das junge Genie. "Du bist mein Ami", sagt Jean nach einer gemeinsam geleerten Flasche Pastis. "Ich bin jetzt sein Amerikaner, sein Freund. Ich stelle mir vor, ich wäre Johnny."

Genitalpanik

Johnny, das ist der Erzähler des zweiten Romans von Teresa Präauer, der seine Abenteuer auf dem Weg zu seiner ersten Ausstellung, die in einem versteckten Winkel des Gebäudes der Malereiklasse stattfindet, Revue passieren lässt. Mit dem zu diesem Zeitpunkt schon verschwundenen, erfolgreichen Jean verbinden ihn Fantasien, Träume und der Akt der Namensgebung als Zeichen eines künstlerischen Lebensentwurfs, der ihre Sehnsüchte nach New York und Paris spiegelt. Diese beiden titelgebenden Namen Johnny und Jean spielen wie so vieles in diesem Roman raffiniert mit Mehrdeutigkeiten. Je nachdem, ob man Jean Französisch oder Englisch ausspricht, ist es ein männlicher oder weiblicher Vorname. Aber es weiß in der Stadt ohnehin keiner – so Johnny -, wie man diesen Namen richtig ausspricht. Und vielleicht ist Jean, dessen Erfolg sich dem oberflächlichen Kunstbetrieb verdankt, ohnehin nur das erfundene Alter Ego von Johnny, der bei seinen Pflichtübungen neidvoll auf den schillernden Kürläufer blickt.

Teresa Präauer liebt Irritationen und Andeutungen beim Schreiben. Schon in ihrem vielgelobten Debütroman "Für den Herrscher aus Übersee", für den sie 2012 mit dem Aspekte-Literaturpreis ausgezeichnet wurde, überzeugte sie als erzählende Fliegerin, die aus der Vogelperspektive die Welt und mittendrin zwei Kinder bei ihren Flugversuchen beobachtet. In Johnny und Jean spielt Teresa Präauer, die in Salzburg, Berlin und Wien, wo sie heute auch lebt, Germanistik und Malerei studiert hat, ihre Doppelbegabung voll aus. Sie nimmt die Wirklichkeit in Bildern wahr und skizziert mit schnellen Strichen in ihrem Roman eine Folge von Szenen aus der Perspektive eines Künstlers als junger Mann. Wie ihr Protagonist weiß sie: "Bei der Bildanalyse hilft es, genau zu sein. Die Fähigkeit, ein Bild genau analysieren zu können, hilft auch später im Leben." Und sie hilft dabei, Leben in Kunst zu verwandeln, in Bilder und Texte. Doch diese Genauigkeit will gelernt sein. "Ich habe mir die Welt immer so wie in Bildern ausgemalt", sagt Johnny, und weil sie oft nicht so interessant ist wie die Bilder, ist er immer wieder enttäuscht. Jean relativiert: "Oft genug ist es auch umgekehrt."

Augenzwinkernd zeichnet Teresa Präauer die künstlerischen Experimente der beiden nach. Während Jean es versteht zu blenden und am Kunstmarkt zu punkten, bisweilen einfach Erfolge vortäuscht oder vorlügt – er selbst spricht davon, dass er manche Ereignisse "ein bisschen auffrisieren" will -, muss sich Johnny selbst beim Aktzeichnen abmühen, hat er doch noch nie eine Person "ganz nackt gesehen". Als ihm die Professorin "Genitalpanik" vorwirft, probiert er es wieder mit den Pin-up-Girls "Jennifer und Jessica" aus den Magazinen, die ihn seit Jugendtagen begleiten. Und während Jean immer Frauen mit französischen Namen als Gefährtinnen findet, die ihm als Musen dienlich sind, dauert es bei Johnny ziemlich lange, bis er überhaupt zum ersten Mal mit einer Frau schläft. Es passiert auf einer Interrail-Reise mit Louise aus Kanada, in einer Installation von Pipilotti Rist in einem dänischen Museum, bis der Wärter sie aus dem Museum wirft.

In der Kunst wie im Leben

Jean ist künstlerisch ungeheuer produktiv, sein OEuvre ist vielfältig. Johnny dagegen bleibt bei seinen Fischen. Doch zwischen den ersten gezeichneten Fischen im Wasserglas und dem Verkauf von drei Bildern bei seiner Ausstellung Dazwischen schwimmen die Fische an einen Mineralwasserabfüller liegen viele Umwege und Dialoge, die Johnny mit Künstlern wie Salvador Dalí, Marcel Duchamp oder der Kunsthistorikerin Mary Schoenblum führt. Denn in der Kunst wie im Leben muss man sich erst alles zusammenreimen, schließlich ist alles eine Konstruktion. Manchmal ist es auch so, "als würde man im Verlauf des Nachdenkens die Erinnerung erst bauen".

Teresa Präauers unbestechlicher Blick auf die zeitgenössische Kunstszene ist so amüsant, weil ihre verqueren Formulierungen und ihre Lust am pointierten Sprachspiel immer präzise die Schwachstellen zeitgenössischer Kunst und ihrer Diskurse treffen. Dabei können die Wiener Aktionisten ebenso wie Mel Ramos oder Alex Katz in ihr Visier geraten, souverän bewegt sie sich zwischen High und Low. Hinreißend auch, wie die Philosophen Gilles Deleuze und Walter Benjamin auftauchen. Orientierung versprechen dagegen nach wie vor die alten Meister: "Wenn nichts mehr hilft, hilft Cranach." Und so verwundert nicht, dass das Buch mit einer Bildbeschreibung von Cranachs Jungbrunnen und der Aufforderung, sich die Badenden noch einmal genau anzusehen, endet. Denn ein Wunder bleibt es, dass sich die alten Frauen im Wasser verjüngen – allein die Kunst kann das zustande bringen.

Teresa Präauer gelingt mit Johnny und Jean ein gleichermaßen ironischer wie liebevoll gezeichneter Roman über die schwierige Balance zwischen Kunst und Leben – ein bilderreiches und sprachspielerisches Meisterwerk. (Christa Gürtler, DER STANDARD/ALBUM, 20.9.2014)