Warten auf eine Gelegenheit: Links ein Zwergmännchen, in der Mitte ein Weibchen, das ein Schneckenhaus inspiziert, und rechts ein territoriales Nestmännchen.

Foto: Sabine Wirtz Ocana/Universität Bern

Bern - Manche ostafrikanischen Buntbarsche sind dafür bekannt, dass sie höchst kooperative, soziale Gruppen bilden. So helfen bei einer bestimmten Art im Tanganjikasee kleinere Fische einem dominanten Brutpaar bei der Pflege der Nachkommen und erhalten dafür Wohnrecht und Schutz.

Bei anderen Arten im selben See herrscht hingegen unverhohlener Wettbewerb um die Fortpflanzung, und das unter sehr unterschiedlichen Voraussetzungen. Bei Schneckenbuntbarschen gibt es sehr große und sehr kleine Männchen, die miteinander konkurrieren. Erstaunlicherweise zeugen die Kleinen aber weitaus mehr Nachwuchs, weil sie den Weibchen beim Laichen viel näher sind, berichten Forscher um den österreichischen Verhaltensökologen Michael Taborsky von der Uni Bern im Fachjournal "Proceedings of the Royal Society B".

Privilegierter Befruchtungsplatz

Trotz eines 40-fachen Größenunterschieds und von der Masse her achtmal kleinerer Hoden stammen über drei Viertel der Jungfische von den parasitischen Zwergmännchen. Dies hängt stark mit dem Lebensraum und dem Material zusammen, das die Fische zur Fortpflanzung benutzen: Sie verwenden vorzugsweise leere Schneckenhäuser zur Brutpflege.

Zwar sind nur die großen Schneckenbuntbarschmänchen im Stande, Schneckenhäuser zu transportieren und damit Weibchen anzulocken; Aus früheren Studien ist bekannt, dass dies erst ab einer gewissen Körpergröße möglich ist. Die Zwergmännchen sind aber klein genug sind, um sich während der Eiablage an den Weibchen vorbeizuzwängen und sich in den Spitzen der Schneckenhäuser zu verstecken. Dort haben sie einen privilegierten Platz - sie können direkt neben dem Laich ejakulieren und nicht nur von außen, wie die großen Männchen. Das macht die Befruchtung durch die Zwergmännchen offensichtlich viel effektiver.

Aufspaltende Selektion

Die Fortpflanzung der Schneckenbuntbarsche hängt also stark von der Brutstätte ab, in dem die Eier abgelegt werden. Die Verwendung leerer Schneckenhäuser zwingt Männchen entweder zu sehr großer oder zu sehr kleiner Körpergröße. "Hier spricht man von aufspaltender Selektion: Männchen mittlerer Größe sind benachteiligt", sagt Taborsky.

Die Berner Wissenschafter haben nun den genetischen Mechanismus entdeckt, der für die Verteilung der Größen dieser Buntbarsche verantwortlich ist. Die Lösung ist frappierend einfach: Die Steuerung des Wachstums der Männchen ist auf dem männlichen Geschlechtschromosom kodiert. Damit erzeugen Zwergmännchen selbst nur kleine und Riesenmännchen nur große männliche Nachkommen.

Weibliche Nachkommen sind davon aber nicht betroffen. Dadurch kann die Selektion ungehindert sehr kleine und sehr große Männchen hervorbringen, ohne dass gleichzeitig die Größe der Weibchen beeinträchtigt wird. "Eine derart simple, geschlechtsspezifische Vererbung des Wachstums - stabilisierend bei Weibchen, aufspaltend bei Männchen - war bislang unbekannt", so Taborsky. (red, derStandard.at, 22.9.2014)