Dass Deutschland und Frankreich zusammenhalten müssen, war bei dem Berlin-Besuch von Premierminister Manuel Valls dieses Mal keine Floskel. Der französischen Wirtschaft geht es mies, und wenn die deutsche Regierung auf Distanz oder gar Gegenkurs ginge, würde dies die Zinsen für die Staatsanleihen hochtreiben. Es wäre der Auftakt zum finanzpolitischen Kollaps in Paris.

Deshalb behandelte Kanzlerin Angela Merkel ihren Gast auffällig schonend. Die Frage ist, ob der Sache damit gedient ist. Etwas mehr Druck hätte Paris gutgetan. Sonst wird die Regierung Valls die Defizitvorgaben noch weniger einhalten als bisher. Und das nicht einmal aus Mangel an gutem Willen, sondern rein aus politischem Überlebenstrieb: Strafft Valls die Budgetzügel, könnte er bei der Haushaltsdebatte die Stimmen der Linkssozialisten verlieren - Frankreich wäre reif für die nächste Regierungskrise.

Valls gibt deshalb ganz pragmatisch dort nach, wo es am wenigsten wehtut: Er vergisst die europäische Budgetdisziplin. Das hilft kurzfristig. Der Patient Frankreich wird aber noch kränker: Schon 2015 dürfte die Staatsschuld 100 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreichen - 36 Prozent mehr als 2007. Dieser rasante Anstieg bedroht Frankreich und den ganzen Euroraum. Schöne Worte über den deutsch-französischen Zusammenhalt schaffen da keine Abhilfe. Sie zeugen nur von der Angst, dass Europa auf eine neue Finanzkrise zusteuern könnte. (Stefan Brändle, DER STANDARD, 23.9.2014)