Die Malerei als eine mögliche Form des Denkens über die Welt: Daniel Richters Gemälde "We like to boogie".

Foto: Ulrich Ghezzi

Innsbruck - Gut. Schlecht. Hässlich. Hässlich? Schlecht? Und gut? Oder einfach schleißig? So schleißig wie die Berge auf den Gemälden Daniel Richters, die sich auf der Leinwand als geologisches Spinnennetz ausbreiten? Berge sieht man ja bekanntlich reichlich rings um Innsbruck und die dortige Galerie im Taxispalais. Nun zeigt dieses Haus die erste Werküberblicksschau des 1962 im norddeutschen Eutin geborenen Daniel Richter hierzulande.

2011 hatte Richter, seit 2006 Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien, in Hannover seine letzte museale Ausstellung, ein Jahr davor zeigte das Salzburger Museum der Moderne Zeichnungen, die im Umfeld seiner Erarbeitung des Bühnenbilds für die Inszenierung von Alban Bergs Lulu entstanden. Für den letzten, umfassender angelegten Querschnitt musste man vor sieben Jahren nach Hamburg, Den Haag und weiter nach Denver (im US-Bundesstaat Colorado) reisen. 25 Bilder, entstanden zwischen 2014 und 2000, sind nun in vier ebenerdigen Räumen zu sehen, auf dem Treppenabsatz und in der großen Halle im Souterrain. 25 Werke, die raumgreifend sind und sich Raum nehmen.

Gehängt wurde in enger Abstimmung mit dem Künstler, und dass Richter Humor hat, beweist er auch hier wieder einmal. Denn das erzählerisch pointierte Bild Forever, das ein zwischen einem Lattenzaun verschwindendes Bein zeigt, das aber so langsam ist, dass es bereits Spinnweben angesetzt hat, hängt direkt unterhalb des Notausgang-Wegweisers.

Auch der Titel der Schau ist ein kunstvolles Amalgam: Chromos goo bugly lautet er, und er weist solcherart Anklänge auf - an Chronos, Chromosomen und die Farbstiftreihe namens Polychromos aus dem Hause Faber-Castell, an Geister und Geistervertreibung ("goo"), Hässlichkeit ("ugly") und Käfer ("bugs"). Was aber auch eine Verballhornung eines schnell ausgesprochenen "good, bad and ugly" sein kann.

Sind die älteren Gemälde, Jawohl und Gomorrah oder Billard um halbzehn, Poor Girl oder Fun de siècle, erzählerischer, detailreicher, imprägniert von der Verarbeitung Ensors bis Hoppers, so dominiert auf den jüngeren und jüngsten Arbeiten das Bedrohliche, schwarze Schemen etwa, Dämonisch-Satanisches oder ein doppelt und dreifach gebrochener Voyeurismus - zu sehen auf den miteinander korrespondierenden The call und The message.

Der Weltbetrachter

"Ich glaube nicht an Technik. Für mich ist das Malen eine Form des Denkens, und die Dinge, die man für diese Form des Denkens benötigt, macht man sich gefügig", sagte Richter 2011 und fuhr fort: "Wenn die Bilder ein Quäntchen dessen einfangen, was gerade in uns vorgeht oder zumindest im Künstler vorgeht, bin ich schon zufrieden. Ich betrachte die Welt und lasse sie durch mich als Filter zum Bild werden. Manchmal formuliert sich dann etwas, das in anderen Medien nicht zu fassen wäre. Hoffentlich ..."

Utopie als solche interessiere ihn nicht: "Diese ganze Idee, dass es ein unentfremdetes Sein gibt, dass es eine Welt ohne Markt gibt, in der alle gleich sind oder alle nackt oder die Tiere sprechen oder die Äpfel einem gebraten in den Mund fliegen - alle diese Entwürfe halte ich für deprimierend."

Keineswegs deprimierend, eher erhellend ist Richters malerisches Weltspiegeln, sein komplexes Spiel mit Erwartungen und Assoziationen, mit Projektionen und Motividentifizierung. Denn ist das auf Hey Joe ein Taliban, der auf einem Berg einem Mann mit Cowboyhut Feuer gibt? Fingert der schwarze Voyeur-Mann sogar an sich - oder an seinem Handy herum?

Etwas erstaunlich ist, dass der kluge Katalog zahlreiche Beispiele für die Bildreferenzen präsentiert, für Bildweltenabstoßungen, auf die Richter zurückgreift, die er konterkariert, hin- und herwendet, auf den Kopf dreht.

Vom Comic bis Montage, von Kriegsaufnahmen bis zu Folterfotos aus Abu Ghraib, von Zeichnungskritzeleien bis zu Zeitungsausschnitten ist alles da. Doch nichts davon in der Ausstellung. Stattdessen: reine, pure Malerei. (Alexander Kluy, DER STANDARD, 24.9.2014)