Barbara Neubauer: "Es ist ein Irrtum, dass nur Objekte unter Denkmalschutz stehen, die reichen Leuten gehören."

Foto: Standard/Newald

STANDARD: In letzter Zeit wurde Kritik am Bundesdenkmalamt laut. Sie würden Investoren in die Hände spielen. Muss das Bundesdenkmalamt reformiert werden?

Neubauer: Diese Kritik kommt meist von Betroffenen. Bei Bauvorhaben gibt es drei Seiten: den Investor, die Anrainer und das Bundesdenkmalamt. Für uns gilt in der Beurteilung ausschließlich die Bausubstanz. Von Interesse ist nicht, wem das Gebäude gehört, und auch nicht - so brutal muss ich es sagen -, wer dort wohnt.

STANDARD: Von Investoren sind Sie allerdings im Gegensatz zu Anrainern abhängig. Wenn die kein Geld in die Hand nehmen, werden auch keine Gebäude saniert. Muss man da auch Wünschen nachkommen?

Neubauer: Sind die Eingriffe verträglich oder nicht? Das ist alles, was wir beurteilen. Manchmal ist die Entscheidung dem Investor nicht recht, manchmal dem Mieter. Ich verstehe das auch: Wenn ein Haus bewohnt wird und der Dachstuhl ausgebaut wird, ist das eine Belastung. Gesucht werden Schuldige, und es kommt vor, dass wir in Kritik geraten. Diese Situation ist aber keine neue, dass es heißt, die Genehmigungen des Denkmalamts gehen zu weit.

STANDARD: Welche Richtlinien wenden Sie an, wenn es darum geht, Wünsche von Investoren zu berücksichtigen?

Neubauer: Wenn ich ein historisches Objekt habe, ist es notwendig, dieses auch zu nutzen, sonst verfällt es. Das Objekt darf aber nicht ruiniert werden. Wenn die Vorschläge zu weit gehen, sagen wir auch Nein. Klar ist aber: Das unveränderte Denkmal gibt es nicht. Es gibt kein Gebäude, kein Denkmal, das unter Schutz steht, das keine Veränderung erfahren hat. Objekte haben immer schon eine Geschichte hinter sich.

Zu bedenken ist auch, dass die Auflagen des Bundesdenkmalamts nicht die Einzigen sind. Manchmal muss auch etwas genehmigt werden, wo wir denken: Das hätten wir jetzt lieber nicht da. Die Rampe beim Theseustempel ist die Kraft des Faktischen. Denn es gibt ein Behindertengesetz, daran hat man sich schlicht zu halten.

STANDARD: Die Literaturwissenschafterin Daniela Strigl übte in einem Kommentar im STANDARD Kritik am Ensembleschutz, der in Wien so wirksam sei, wie wenn man Pfefferspray gegen die Mafia anwende. Als Beispiel wird ein Haus in der Breite Gasse genannt, das vor dem Abbruch steht, obwohl es unter Ensembleschutz steht.

Neubauer: Ja, in Wien war es in der Vergangenheit möglich, in der Schutzzone Objekte abzubrechen. Das hat sich mit der neuen Bauordnung meines Wissens aber geändert.

STANDARD: Muss eine Zwischenkategorie zwischen dem manchmal offenbar zu schwachen Ensembleschutz und dem totalen Denkmalschutz geschaffen werden?

Neubauer: In Wien wurde nachgebessert. Wenn wir von ganz Österreich sprechen, dann muss ich sagen, dass der Ensembleschutz sicher schwierig ist. Denn es kommt ganz darauf an, wie sehr sich eine Gemeinde der Erhaltung ihres Ortsbilds verpflichtet fühlt. Es gibt vor Ort oft Interessen, denen Genüge getan werden muss. Dann kommt es zu Eingriffen, die architektonisch nicht das Gelbe vom Ei sind. Die Fachkompetenz ist nicht überall vorhanden.

STANDARD: Soll den Gemeinden, den Ländern diese Kompetenz entzogen werden?

Neubauer: Es wird auf allen Gebieten ein zunehmend größeres Wissen verlangt. Ja, man müsste professioneller mit dem Ortsbildschutz und dem Schutz der Kulturlandschaft umgehen.

STANDARD: Die Kapazitäten vom Bundesdenkmalamt reichen aber nicht aus, um das alles mitzubetreuen.

Neubauer: Nein. Seit den 1970er-Jahren haben sich die Länder eigene Ortsbildschutzgesetze gegeben, die überall anders ausschauen. Teilweise sind wir eingebunden, teilweise nicht. Was wir bei all der Kritik erkennen: dass unsere Entscheidungen nachvollziehbarer werden müssen. Wir haben versucht, Rahmenrichtlinien zu definieren - damit klar ist, in welchem Rahmen man sich bewegen kann. Das muss auch für den Ortsbildschutz wichtig sein.

STANDARD: Denkmalschutz wird emotional diskutiert. Am Donnerstag gibt es in Wien eine Demonstration zur Erhaltung von Kulturerbe, bei der sich 35 Bürgerinitiativen zusammengeschlossen haben. Verstehen Sie das Anliegen?

Neubauer: Ja, grundsätzlich bin ich dafür. Aber ich bin nicht die Jeanne d'Arc des österreichischen Kulturerbes. Ich kann nicht alles retten, das geht nicht. Wir schützen die wichtigsten Objekte, aber es muss etwas anderes auch noch geben. Ich fordere einen Grundkonsens, dass das kulturelle Erbe Österreichs wichtig ist. Auch aus wirtschaftlichen Gründen, der ganze Tourismus baut darauf auf. Je mehr Leute zu dieser Überzeugung kommen, desto besser.

STANDARD: Welche Rahmenbedingungen braucht es dafür?

Neubauer: Ich glaube, dass wir grundsätzlich gesetzlich ganz gut aufgestellt sind. Personell könnte es aber besser sein, das steht außer Frage. Wir müssten mehr Grundlagenforschung betreiben, das ist kaum mehr möglich. Die Finanzierung von Denkmalschutz gehört neu diskutiert, und die Eigentümer gehören dafür gestärkt, dass sie ein öffentliches Interesse wahrnehmen. Das muss abgegolten werden - und nicht nur mit ein paar tausend Euro, wenn eine Stuckdecke instand gesetzt wird.

STANDARD: Ihr Gesamtbudget liegt bei jährlich 35 Millionen Euro, für Förderungen stehen 13 Millionen Euro zur Verfügung. Wie soll das Förderwesen umgestaltet werden?

Neubauer: Meine Idee wäre eine steuerliche Begünstigung für diejenigen, die denkmalgeschützte Bauten sanieren. Es gibt in Deutschland Modelle, wo man etwa die Förderung über die Mehrwertsteuer, die man abschreiben kann, erhält. Für einen Eigentümer muss es attraktiv werden, ein Objekt zu kaufen.

Da rede ich nicht von einem Palais um 25 Millionen Euro in der Wiener Innenstadt. Ich rede von den Objekten draußen im Dorf, in kleinen Gemeinden. Dort muss ich ansetzen. Es ist ein Irrtum, dass nur Objekte unter Denkmalschutz stehen, die reichen Leuten gehören. (Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 25.9.2014)