Die Zacherlfabrik: maurische Architektur im 19. Bezirk.

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Die Gelegenheit, einen Blick hinter sonst kaum zugängliche Fassaden zu werfen, bietet sich derzeit ungewöhnlich oft: Erst vor kurzem öffneten sich in Wien erstmals die Türen beim Open House (derStandard.at berichtete). In zwei Wochen findet die Lange Nacht der Museen statt, Anfang November wieder die Tage des Passivhauses (7. bis 9.11.). Und diesen Sonntag wird in Österreich der Tag des Denkmals begangen.

"Heritage Days" seit 1985

Die "European Heritage Days", 1985 vom Europarat ins Leben gerufen, findet in Österreich heuer zum 17. Mal statt. Organisiert wird dieser Tag der offenen Tür vom Bundesdenkmalamt (BDA). 280 denkmalgeschützte Objekte sind im ganzen Land gratis zugänglich, 43 sind es alleine in Wien. Europaweit erkunden 50 Millionen Menschen "ihre" Denkmäler, berichtet Renate Holzschuh-Hofer vom BDA stolz. 71.000 Besucher zählte man im Vorjahr. Die teilnehmenden Denkmäler unterscheiden sich von Jahr zu Jahr - abhängig vom jeweiligen Motto. Die heurige Devise lautet "Illusion".

Die Täuschung der Sinne verfolgten Kunst und Architektur in fast allen Epochen, so das BDA. Und diese Illusionen kommen vielfältig daher: So wurde beispielsweise bei Materialien getrickst, wie Michael Rainer vom BDA bei einer Führung durch das Deutschmeisterpalais an der Ringstraße erklärt. Das Gebäude, in dem sich heute der Sitz einer internationalen Organisation befindet, wurde einst von Erzherzog Wilhelm bei Theophil von Hansen bestellt.

Täuschungen üblich

Und obwohl für den Prachtbau keine Kosten und Mühen gescheut wurden - das, was heute als prunkvolle Eingangshalle durchgeht, war einst die Winterreitschule für die Rösser des Erzherzogs -, findet sich auf den zweiten Blick (und unter fachkundiger Anleitung) die eine oder andere fast perfekte Täuschung: In den prachtvollen Prunkräumen zum Beispiel, "wo Stuckmarmor den echten Marmor imitieren will", so Rainer - inklusive makelloser Maserung. Auch die Holzvertäfelungen in einem anderen Raum erweisen sich auf den zweiten Blick als "Fake": "Das ist weißer Stuck, der gefärbelt ist", erklärt Rainer. Sichtbar wird das aber nur bei kleinen Schäden - an Ecken zum Beispiel, wo der Stuck abgeschlagen wurde.

Der Grund für die Täuschungen: Selbst die Eigentümer prachtvoller Ringstraßenbauten wollten Geld sparen. Aber die Baumeister hatten auch einen künstlerischen Anspruch, betont Wiens Landeskonservator Friedrich Dahm: "Die Abstimmung der Materialien ergibt ein harmonisches Gesamtkunstwerk." Diese Perfektion sei für Restauratoren heute nur schwer zu erreichen.

Illusion des Orientalischen

Nicht alle Denkmäler können am Sonntag spontan besucht werden; bei einigen war vorab eine Online-Anmeldung nötig. Das Deutschmeisterpalais ist daher bereits ausgebucht. Doch auch für Spontane gibt es Programmpunkte, darunter die Kleine Gloriette in Schönbrunn, die mit illusionistischer Architekturmalerei aufwartet.

Auch die Zacherlfabrik, in der einst Insektenpulver hergestellt wurde, kann ohne Voranmeldung besucht werden. Das ehemalige Fabriksgebäude sticht durch seine Architektur hervor - und auch hier handelt es sich natürlich um eine Täuschung: Der Bau aus dem 19. Jahrhundert spielt mit einer Illusion des Orientalischen - inmitten des 19. Bezirks. (Franziska Zoidl, DER STANDARD, 27.9.2014)