Ein Bild aus alten Tagen: Kaspanaze Simma (li.) und der jetzige Vorarlberger Grünen-Chef Johannes Rauch, Parteitag der Grünen 1997.

Foto: Stiplovsek

STANDARD: Sie sind 1984 als erster Grüner in einen Landtag eingezogen. Jetzt, 30 Jahre später, verhandeln die Grünen mit der ÖVP über eine Koalition in Vorarlberg ...

Simma: ... was mich sehr freut. Ehrlich gesagt, habe ich nicht an Koalitionsverhandlungen gedacht. Ich hatte auf ein Wahlergebnis gehofft, dass so etwas in Reichweite bringt. Es gab es eine starke Orientierung der Wähler in Richtung Innovationen in der Politik. Für diese Hoffnung standen die Grünen in Vorarlberg mit ihrer langen und wechselvollen Geschichte. Dass das ausgerechnet an meinem 60. Geburtstag passiert, halte ich für ein gutes Omen.

STANDARD: Was muss im Koalitionsvertrag drinstehen?

Simma: Das überlasse ich den Akteuren. Ich bin eigentlich sehr positiv überrascht von dieser Dialogbereitschaft und -fähigkeit, die Landeshauptmann Markus Wallner und seine Volkspartei mitbringen.

STANDARD: Was würden Sie sich persönlich wünschen?

Simma: Ich hoffe natürlich auf eine gewisse Neuorientierung im Bereich der Landwirtschaft, dass dieser Industrialisierungsprozess nicht in dem Ausmaß weiter fortgesetzt wird und man mehr auf die besondere Qualität kleinerer Landwirtschaften schaut. Hoffnungen habe ich auch im Bereich Naturschutz. Vielleicht gelingt es doch noch, die mittlerweile spärlich gewordenen unberührten Landschaften mehr wertzuschätzen und zu erhalten.

STANDARD: Sie haben keine Zweifel bezüglich eines positiven Ausgangs der Verhandlungen?

Simma: Ich bin in guter Hoffnung, dass das klappen wird. Grünen-Chef Johannes Rauch und Wallner haben offenbar eine Gesprächsebene gefunden.

STANDARD: Wann sollte man lieber die Finger davon lassen - und die Verhandlungen aussetzen?

Simma: Ich habe da Vertrauen, dass es einen Weg geben wird. Was jetzt ansteht ist, sich auf diesen Weg zu begeben und die Visionen im Auge zu behalten.

STANDARD: Haben die Grünen diese Visionen?

Simma: Sie werden sich immer wieder darum bemühen müssen. Das ist eine Geschichte, die im Fluss ist. In der Tagespolitik zieht es einen notgedrungen sehr in den Alltag hinein. Die übergeordnete Ebene, die größere Idee, wird in gewisser Weise oft in den Hintergrund geschoben. Mich beschäftigen die grundsätzlichen Fragen: Wie könnte anderes Wirtschaften gehen? Welche Ansätze könnte man entwickeln?

STANDARD: Beschäftigt das Ihre frühere Partei?

Simma: Grundsätzlich schon. Die Grünen dürfen sich da aber mehr der Tiefe dieser Frage widmen. Diese Suche nach grüneren Wegen ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Es geht darum, einen Weg mit der Natur und mit den Kräften aus der Region zu suchen - die Geldwirtschaft sollte als interessante zusätzliche Möglichkeit gesehen werden, aber nicht diese Dominanz entwickeln.

STANDARD: Die Grünen sollten sich also mehr trauen?

Simma: Sie haben in den letzten Jahren durch die Eintritte in die verschiedenen Landesregierungen ihre Dialogfähigkeit und ihren Gestaltungswillen gezeigt. Auf dieser Basis lässt sich gut mit einem Blick auf die grünen Visionen gestaltend eingreifen.

STANDARD: Aber das Mitregieren heißt auch, viele Kompromisse zu schließen.

Simma: Klar besteht die Gefahr, dass dieser Blick verloren geht. Aber da kommt die politische Kunst ins Spiel. Das macht den Politiker, die Politikerin aus, ein größeres Ziel vor Augen zu haben, und gangbare Schritte im Gespräch mit anderen Parteien in diese Richtung umzusetzen.

STANDARD: Sie selbst reizt die Politik gar nicht mehr?

Simma: Die Tagespolitik interessiert mich überhaupt nicht. Ich genieße die Möglichkeit, mit meinen landwirtschaftlichen und auch politischen Erfahrungen in Richtung lebensfreundlicheres Wirtschaften zu arbeiten. (Peter Mayr, DER STANDARD, 30.9.2014)