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Wenn Biodiesel zum Klimakiller wird: Für Ölpalmplantagen wie hier in Malaysia wurden riesige Regenwaldgebiete abgeholzt.

Foto: Corbis / National Geographic Society / David Hiser

Heidelberg/Wien - Wer Diesel aus Raps oder Ethanol aus Zuckerrohr tankt, schont das Klima - so das Hauptargument für den Einsatz von Biokraftstoffen. Die Idee dahinter klingt einleuchtend: Genau wie die Organismen, aus denen im Laufe der Erdgeschichte Öl und Kohle wurden, speichern Pflanzen, aus denen Biosprit gewonnen wird, Kohlendioxid aus der Luft. Doch während die fossilen Energieträger das Gas aus Urzeiten wieder freisetzen, ist es bei Biokraftstoffen nur wenige Jahre alt - die Zusammensetzung der Atmosphäre ändert sich nicht, wenn man sie verbrennt.

Bis aus den nachwachsenden Rohstoffen ein Kraftstoff wird, muss jedoch einiges an Energie hineingesteckt werden, erklärt die Biotechnologin Anna Hennecke, die sich am Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg mit der Nachhaltigkeitsbewertung von Bioenergie beschäftigt. Bei deren Produktionsprozessen wird es kritisch: Je nachdem, wie sie gestaltet sind, kann die CO2-Bilanz schnell kippen. "Jede Art von Bioenergie hat eigene Knackpunkte. Eine Hauptursache für die Klimabelastung ist aber bei allen pflanzlichen Rohstoffen die Düngung der Felder", sagt Hennecke.

Einerseits kommt es schon bei der Produktion und beim Transport von Düngemitteln zu CO2-Emissionen. Das gilt besonders für Kunstdünger, dessen Herstellung viel Energie benötigt. Sobald der Dünger aber auf den Feldern liegt, entweichen zusätzlich große Mengen an Treibhausgasen - das gilt auch für natürlichen Dünger wie Mist oder Gülle. Der darin enthaltene Stickstoff, der Pflanzen den erwünschten Wachstumsschub verleiht, verbindet sich mit dem Sauerstoff der Luft zu Lachgas, das einen 300-mal stärkeren Treibhauseffekt als Kohlendioxid hat.

Sind die Pflanzen einmal geerntet, müssen sie verarbeitet werden, um daraus Kraftstoffe gewinnen zu können. Hier sind die angewendeten Verfahren entscheidend für ihre Umweltverträglichkeit. Aber auch der Umgang mit Abfallprodukten kann die Treibhausgasbilanz verschlechtern, betont Anna Hennecke: "Bei der Biodieselherstellung aus Palmöl ist es beispielsweise extrem wichtig, was mit den Abwässern passiert. Wenn sie in offenen Klärbecken vergären, setzen sie Methan frei, das in die Atmosphäre entweicht. Wird dieses Gas dagegen aufgefangen und vielleicht auch noch zur Energiegewinnung genutzt, sieht die Bilanz recht gut aus."

Auch bei anderen Rohstoffen kann die Verarbeitung problematisch werden. Bioethanol, das besonders in tropischen Ländern wie Brasilien häufig aus Zuckerrohr hergestellt wird, muss aus dem vergorenen Saft der süßen Stängel destilliert werden. In großen Öfen wird es erhitzt, um den Alkohol verdampfen zu lassen. Nutzt man als Brennstoff allerdings die ausgequetschten Fasern der Pflanze, ist der gewonnene Kraftstoff klimafreundlich - im Vergleich zu herkömmlichem Diesel werden bis zu achtzig Prozent weniger Treibhausgase freigesetzt.

"Sind die Öfen aber ineffizient und müssen mit Heizöl oder Kohle befeuert werden, wird daraus schnell ein Klimakiller", erklärt Hennecke. "Gerade bei Zuckerrohrethanol kann es passieren, dass am Ende mehr CO2-Emissionen entstehen als bei der Verwendung von fossilen Kraftstoffen."

Gerodete Wälder

Auch die Art der verwendeten Anbauflächen hat Auswirkungen auf die Klimaverträglichkeit. Werden dafür neue Flächen erschlossen, die dicht bewachsen sind, fallen wichtige Kohlenstoffspeicher weg. Für die CO2-Bilanz eines Biokraftstoffs muss Hennecke diese Effekte mit einrechnen. "Wird beispielsweise ein Wald für den Anbau gerodet, hatte die Fläche vorher einen höheren Kohlenstoffgehalt, der durch den Umbruch verlorengeht - dadurch entstehen CO2-Emissionen. Wird die für den Treibstoff verwendete Biomasse dagegen auf bereits bestehenden landwirtschaftlichen Flächen angebaut, entstehen diese direkten Landnutzungsänderungen nicht", sagt die Biotechnologin.

Welche katastrophalen Auswirkungen die Biokraftstoffproduktion haben kann, zeigt sich besonders deutlich in Indonesien: In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die Anbaufläche für Ölpalmen in dem südostasiatischen Inselstaat verzehnfacht. Auf den Inseln Borneo und Sumatra wurde dafür ein Großteil des ehemals dichten Regenwaldes in Plantagen umgewandelt. Neben dem Verlust des Artenreichtums hat die Abholzung einen massiven Anstieg der Treibhausgasemissionen des indonesischen Palmöls zur Folge.

Doch selbst wenn kein Wald gerodet wird und die Biomasse auf bereits bestehenden Feldern wächst, kann die Klimabilanz von Bioenergie kippen: Werden die Rohstoffe auch in anderen Wirtschaftsbereichen wie dem Nahrungsmittelsektor benötigt, muss der durch die Bioenergie verursachte Mangel an anderer Stelle ausgeglichen werden. Ein gutes Beispiel dafür sei Bioethanol aus Mais, erklärt Hennecke: "Durch die erhöhte Nachfrage muss an anderer Stelle Mais als Nahrungsmittel angebaut werden. Hier kann es wiederum zu Rodungen kommen, die man nicht mehr so einfach kausal mit den Biokraftstoffen in Verbindung bringen kann." Solche Verdrängungseffekte versucht die Wissenschafterin mit ökonometrischen Modellen zu integrieren. Sie erschweren jedoch die Erstellung einer exakten CO2-Bilanz von Biokraftstoffen erheblich.

Höhere Erträge als Chance

Eine der wirksamsten Methoden, um die Verdrängungseffekte zu vermeiden, seien Ertragssteigerungen, sagt Hennecke. Gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern könne durch entsprechende Anbautechnik mehr Ernte eingefahren werden. So zeigte eine vor kurzem in der Zeitschrift Nature veröffentlichte Studie chinesischer Wissenschafter, dass allein der richtige Zeitpunkt der Düngung den Ertrag erheblich steigern kann. Hier müsste aber besonders auf andere ökologische Auswirkungen wie auf den Wasserverbrauch oder den Pestizideinsatz geachtet werden, gibt Hennecke zu bedenken. In hochentwickelten Industrienationen seien die technischen Möglichkeiten ohnehin weitgehend ausgeschöpft und weitere Ertragsteigerungen kaum mehr zu erreichen.

Um die vielen Faktoren, die für die Umweltverträglichkeit von Bioenergie relevant sind, in der Produktion der Kraftstoffe zu berücksichtigen, sieht Hennecke politischen Handlungsbedarf: "Den Biokraftstoffmarkt in Europa gibt es nur, weil er politisch gefördert wird. Entsprechend hat man hier aber auch Handlungsspielraum, um Nachhaltigkeitsstandards festzulegen."

Zwar lege die europäische Richtlinie für erneuerbare Energien seit 2009 gewisse Kriterien fest, die Biokraftstoffe erfüllen müssen, um förderfähig zu sein. "Sie müssen mindestens 35 Prozent Treibhausgase einsparen, und biodiverse oder kohlenstoffreiche Flächen dürfen nicht direkt umgebrochen werden", sagt Hennecke. "Was dort aber noch nicht berücksichtigt wird, sind zum Beispiel die Verdrängungseffekte. Und es gäbe eine ganze Reihe weiterer Faktoren, die noch in die Gesetzgebung einfließen müssten." (Wolfgang Däuble, DER STANDARD, 1.10.2014)