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Im Ressort von Familienministerin Sophie Karmasin soll die Deradikalisierungs

Foto: apa/Hochmuth

Wien - Auf Familienministerien Sophie Karmasin (ÖVP) könnte bis Jahresende ein neuer Aufgabenbereich zukommen. Geplant ist, die vom Innenministerium initiierte Deradikalisierungs-Hotline in ihrem Ressort anzusiedeln, wie derStandard.at am Donnerstag aus gut informierten Kreisen erfuhr.

Bis zum Ende des Jahres soll die Beratungsstelle in Betrieb gehen. Hilfe bieten soll sie radikalisierten Personen und deren Angehörigen. Ein Netzwerk an Kooperationspartnern soll unterstützen. Aus dem Familienministerium werden entsprechende Gespräche bestätigt, ein Beschluss sei allerdings noch nicht gefasst worden. Auch NGOs kämen dafür in Betracht.

Von der ursprünglichen Variante, die Stelle im Innenministerium einzurichten, ist man offenbar abgekommen. Der Plan war mehrfach in die Kritik geraten. Viel zu Groß sei die Angst, im Innenministerium um Hilfe zu bitten, monierte etwa Wiens Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ).

Deutsches Vorbild

In Deutschland gibt es eine solche "Beratungsstelle Radikalisierung" bereits seit dem Jänner 2012. Diese ist im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angesiedelt und arbeitet deutschlandweit mit Partnern zusammen. Seit der Gründung hat sie 350 Fälle begleitet, dazu kamen mehr als 1.000 Beratungsanrufe.

Das Problem religiöser oder politischer Radikalisierung steht derzeit vor allem aufgrund der steigenden Zahl westlicher Jugendlicher, die mit der radikalislamischen Gruppe "Islamischen Staat" sympathisieren und mitunter als Kämpfer nach Syrien gehen, auf der politischen Agenda.

"Salafisten sind die besseren Sozialarbeiter"

Auf Einladung des Instituts für Freizeitpädagogik der Stadt Wien haben Experten deutscher Beratungsstellen am Mittwoch ihre Erfahrungen und Gegenstrategien im Umgang mit radikalsalafistisch ideologisierten Jugendlichen vorgetragen. Claudia Dantschke, Leiterin der Beratungsstelle Hayat, in der Angehörige radikalisierter Jugendlicher betreut werden, stellte in ihrem Vortrag eine provokante These auf: "Salafisten sind die besseren Sozialarbeiter." Und zwar deshalb, weil diese "Jugendliche dort abholen, wo sie sind, und ihnen das geben, was sie suchen".

Aufwertung für Jugendliche

Ältere Salafisten würden Jugendlichen Vertrauen schenken und sie mit Aufgaben betrauen, allen voran mit jener, andere Jugendliche für den Salafismus anzuwerben. Die Jugendlichen würden so eine "Aufwertung" erleben, so Dantschke. Allen voran labile Jugendliche und solche mit psychischen Problemen seien für diese Mechanismen zugänglich. Das Phänomen trete in allen Gesellschaftsschichten auf. Dantschke wies darauf hin, dass radikale Salafisten in Österreich und Deutschland sehr stark vernetzt seien.

Angstpädagogik

Sowohl auf Österreichs als auch auf Deuschlands Straßen werde der Koran im Rahmen der Aktion "Lies" verteilt. "Viele wollen nach der Lektüre des Korans mehr erfahren", erklärt Dantschke. In kleinen Gruppen werde dann "Tacheles" geredet. Jugendliche, die in diese Kreise geraten, würden einerseits mit Angstpädagogik indoktriniert, andererseits werde ihnen ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl im Sinne einer Ersatzfamilie in einer egalitären Gemeinschaft vermittelt. Den Jugendlichen werde die Vergänglichkeit des Lebens vor Augen geführt: Wer im Zustand der Sünde stirbt, landet in der Hölle. Das Lebensziel müsse das Paradies sein, so die Kernbotschaft. "Die aufgebaute Angst ist extrem wirkungsmächtig", sagt Dantschke.

Florian Endres, Referent in der "Beratungsstelle Radikalisierung", erklärte, Radikalisierungsprozesse würden individuell verlaufen, vor allen 18- bis 24-Jährige seien davon betroffen, zu 80 Prozent seien es Männer. Wichtig sei, das soziale Umfeld von radikalisierten Jugendlichen zu stabilisieren und zu stärken. Denn Angehörige würden bei der Deradikalisierung eine Schlüsselposition einnehmen. Ziel sei, wieder eine Bindung zwischen Jugendlichen und Eltern herzustellen und die Familie wieder als Alternative für den Radikalisierten zu etablieren.

In manchen Fällen würden Imame eingebunden, um den Jugendlichen nichtextremistische Islamauslegungen näherzubringen. Auch die Eltern sollten sich mit dem Thema Islam auseinanderzusetzen. Allerdings, so die nüchterne Diagnose von Dantschke: "Die Ideologie wieder wegzukriegen ist das Schwierigste." (Katrin Burgstaller, derStandard.at 2.10.2014)