Bild nicht mehr verfügbar.

Netzsperren führen ab sofort dazu, dass Nutzer bei bestimmten Seiten ins Leere geführt werden.

Foto: APA/Scheriau

Diese Fehlermeldung erhalten Kunden des Providers UPC, wenn sie kinox.to aufsuchen wollen.

Foto: Screenshot/Standard

Über die direkte Anwahl der IP-Adresse sind die gesperrten Seiten aber erreichbar, UPC setzt also auf DNS-Filter.

Foto: Screenshot

Kinox.to hat eine Stellungnahme abgegeben und alternative URLs eingerichtet.

Foto: Screenshot

Auch A1 sperrt bereits.

Foto: Screenshot/Standard

Bild nicht mehr verfügbar.

Pirate-Bay-Gründer Peter Sunde (rechts) nannte Netzsperren unlängst "gefährlich". Seine Piratenbucht bleibt vorerst verschont.

Foto: EPA/Ericson

Bild nicht mehr verfügbar.

Der erste Pirate-Bay-Server ist mittlerweile ein Museumsstück.

Foto: APA/EPA/Scanpix

Vertreter von Rechteinhabern aus der Filmbranche haben die Blockade beliebter Piraterie-Websites in Österreich durchgesetzt. Seit Freitag dürfen UPC, A1, Tele2 und "3"-Kunden die Seiten kinox.to und movie4k nicht mehr ansteuern können. Die Blockaden wurden in der Vergangenheit heftig als "Einfallstor für Zensur" kritisiert, sind aber in der momentanen Form leicht zu umgehen. In nächster Zeit könnten mehr Websites folgen, die Rechteinhaber wollen außerdem VPN-Verbindungen unmöglich machen. Die wichtigsten Infos im Überblick.

1. Internet-Provider hatten sich gewehrt

Eigentlich hätten die Netzsperren schon am 1. August in Kraft treten sollen. Mit diesem Termin waren Briefe des Vereins für Anti-Piraterie (VAP) an einige Internetprovider datiert gewesen. Diese hatten sich jedoch geweigert, ohne richterliche Anordnung zu sperren. Sie wollten, so VAP-Geschäftsführer Werner Müller, "verklagt werden". Daher wurde in den vergangenen Wochen am Handelsgericht Wien prozessiert, dessen Richter am Donnerstag nun eine einstweilige Verfügung gegen die Provider erließen. Das sei momentan laut Verband der Internetservice-Provider Österreich (ISPA) ein "erster Schritt", die inhaltliche Auseinandersetzung folge in der anhängigen Unterlassungsklage. Die Provider prüfen das Urteil momentan noch inhaltlich.

2. Drei Gerichtsurteile, eine Stoßrichtung

Als die Rechteinhaber Ende Juli erste Sperraufforderungen verschickten, waren Netzsperren prinzipiell bereits juristisch abgesegnet worden. Michael Hanekes Film "Das weiße Band" und dessen Verfügbarkeit auf der Streamingseite kino.to waren Ausgangspunkt für einen langjährigen Prozess, in dem der Oberste Gerichtshof (OGH) auch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um eine Einschätzung bat. Beide Instanzen kamen zu dem Schluss, dass Netzsperren prinzipiell zulässig sind.

3. Wie werden Netzsperren technisch umgesetzt?

Das unterliegt den einzelnen Providern. Der VAP erwartet sich "sowohl DNS- als auch IP-Sperren", wahrscheinlicher ist erstere Option. Denn IP-Sperren bedeuten einen massiven Eingriff in die Struktur und könnten potenziell auch andere Websites lahmlegen. DNS-Filter sind einfacher, sie funktionieren nach folgendem Prinzip: Hinter jeder Website steht ein Rechner mit IP-Adresse. Da es aber mühsam wäre, jedes Mal die numerische Adresse einzugeben, wurde das Prinzip der Domain-Names (DNS) eingeführt. Man gibt also "derStandard.at" ein, ein Name-Server löst das in "194.116.243.20" auf. Genau dieser Mechanismus würde blockiert werden. Offenbar setzt der Provider UPC bei Netzsperren auf diese Lösung.

4. Was können Nutzer tun, die gesperrte Seiten erreichen wollen?

DNS-Sperren lassen sich relativ leicht umgehen. Nutzer können einfach die direkte IP-Adresse der betroffenen Seiten eingeben. Das lässt sich leicht austesten: Das gesperrte movie4k beläuft sich etwa auf "91.202.63.160", kinox.to auf "91.202.61.170". Es können auch Googles DNS statt jener der Provider verwendet werden. Bei IP-Sperren wäre ein Umgehen schon schwieriger, allerdings immer noch möglich – etwa durch die Nutzung des Anonymisierungsdiensts Tor oder VPN-Lösungen wie Tunnelbear.

Die Betreiber von kinox.to haben alternative URLs vorbereitet. Unter "kinox.tv" und "kinox.me" ist die Seite weiterhin zu erreichen. Sie bezeichnen die Entscheidung als "Zerstörung des Internets" und fragen, ob "Österreich einen auf Nordkorea" mache.

5. Werden weitere Seiten folgen?

Auch die Musikwirtschaft hat, vertreten durch die IFPI, die Sperre von einigen Seiten verlangt. Sie will die Websites isohunt.to, 1337x.to und h33t.to blockieren. Auch hier haben die Provider vorerst nicht auf die Aufforderung reagiert, die IFPI hatte im August "rechtliche Schritte" vorbereitet. Jetzt sind auch hier die Gerichte am Zug, wie IFPI-Geschäftsführer Franz Medwenitsch auf Anfrage des STANDARD bestätigt. Der VAP könnte ebenfalls die Sperre neuer Seiten beantragen.

6. Was ist mit der "Pirate Bay"?

Piratebay.se ist sicher eine der beliebtesten Adressen für legale und illegale Downloads. Allerdings gibt es rechtlich einige Komplikationen: So sind auf der Website, deren Gründer in Schweden wegen Urheberrechtsverletzungen in Haft sind, auch viele legal teilbare Daten verfügbar – beispielsweise Linux-Distributionen und Material, das von Künstlern freigegeben wurde.

Außerdem laden die Nutzer die Dateien nicht direkt von der Pirate Bay herunter, sie bekommen dort vielmehr Torrents, die dann den illegalen Akt extern erledigen. Ursprünglich wollte der VAP auch Pirate Bay blockieren, die Seite war in der ersten Sperraufforderung enthalten. Von einem gerichtlichen Verfahren zur Blockade wurde jedoch wegen obengenannter Gründe vorerst abgesehen. In den Niederlanden wurde eine Netzsperre von Pirate Bay vom dortigen Höchstgericht wieder aufgehoben.

Pirate-Bay-Gründer Peter Sunde nannte Netzsperren mit Blick auf die österreichische Situation unlängst "gefährlich". Außerdem würden Menschen "immer Wege finden, sie zu umgehen".

7. Was planen die Rechteinhaber abseits von Netzsperren?

International zeigt sich, dass Rechteinhabern momentan vor allem die Nutzung von VPN Sorgen macht. Laut ihrer Auslegung umgehen Internetnutzer das Urheberrecht, wenn sie ihren Netzzugang als ausländisch verschleiern. Die BBC sprach sogar davon, dass "intensive VPN-Nutzer Piraten" seien. Auch bei Netflix – über das sich Rechteinhaber eigentlich freuen – gibt es Probleme, da viele Nutzer über VPN etwa auf das US-Angebot zugreifen, das in einigen Bereichen reichhaltiger als das europäische ist. Eine Sperre von VPN-Tools wäre juristisch und politisch allerdings schwierig umzusetzen.

8. Wird es gesetzliche Regelungen dazu geben?

Das ist schwierig zu beantworten. Im Justizministerium hieß es Ende Juli, man werde die Entwicklungen abwarten und dann etwaige Konsequenzen ziehen. Die Provider sollen momentan in Kontakt mit "relevanten Stellen" im Ministerium stehen, ein politischer Entschluss sei aber noch weit entfernt. Maximilian Schubert, Generalsekretär der ISPA, zeigt sich "zuversichtlich", dass es einer Lösung kommen werde. Alle Parlamentsparteien lehnen Netzsperren ab, die Piratenpartei hat für den Fall einer Pirate Bay-Sperre bereits Ausweichmöglichkeiten eingerichtet. Die Grünen wollen einen Antrag gegen Netzsperren an sich einbringen.

9. Machen Netzsperren aus ökonomischer Perspektive Sinn?

Fakt ist, dass in den vergangenen Jahren massiv illegal Filme und Musik heruntergeladen wurden. Allerdings widersprechen Studien einander oft in der Frage, in welchem Ausmaß das den Rechteinhabern geschadet hat. So ist unklar, ob Nutzer gratis konsumierte Musik tatsächlich auch käuflich erworben hätten, wenn diese nur legal verfügbar wäre.

Zusätzlich sind mittlerweile zahlreiche legale Angebote verfügbar, die einfachen Zugang zu Kulturgütern bieten. Beispielsweise im Filmbereich die Abo-Modelle von Sky Snap und Netflix, für Musik der Audiostreaming-Dienst Spotify. Die ISPA wünscht sich, dass "Rechteinhaber ihre Energien in den Ausbau dieser Angebote investieren." Allerdings hätten diese "keine Zukunft", wenn manche Serien erst mit großer Verzögerung in Österreich starten. Laut einem Bericht der Rechteinhaber IFPI, die auch Klagen gegen Provider vorbereiten, hat Österreich im Jahr 2013 im Online-Musikmarkt "mit 17 Prozent Wachstum deutlich besser abgeschnitten" als im internationalen Durchschnitt. Die Rechteinhaber sehen "noch hohes Wachstumspotenzial."

10. Manche Rechteinhaber freuen sich über illegale Downloads

Einige Experten gehen sogar davon aus, dass ein erhöhter Medienkonsum durch illegale Downloads auch zu mehr Ausgaben für Kulturgüter führt. Berühmtester Vertreter dieser Denkart ist wohl Time-Warner-Boss Jeff Bewkes. Er freut sich nahezu über illegale Download-Rekorde der TV-Serie "Game of Thrones", die exklusiv auf dem Bezahlsender HBO zu sehen ist. Die Downloads seien "besser als ein Emmy", so Bewkes. (Fabian Schmid, derStandard.at, 3.10.2014)