Clemens Schneider: "Die Mieter werden ausgemietet, die Häuser generalsaniert und danach statt um vier Euro um 6,50 Euro oder mehr vermietet. Das funktioniert sehr gut."

Den Bestand zu sanieren und zu höheren Preisen neu zu vermieten ist Teil des Conwert-Kerngeschäfts. Im Bild die Vittinghoff-Siedlung in Gelsenkirchen, die kürzlich energetisch saniert wurde.

Foto: Conwert

STANDARD: Eineinhalb Wochen vor Beginn der Expo Real scheint niemand von Conwert in der Teilnehmerliste auf. Sind Sie nicht dort?

Schneider: Doch, wir sind zu dritt dort, aber wir geben unser Geld lieber für Immobilien aus, nicht für einen Stand auf der Expo. Es ist dort einfach ein "Sehen und Gesehenwerden". Für uns hat es aktuell wenig Sinn, dort irgendeinen Stand zu eröffnen und Geld auszugeben.

STANDARD: Sie wollen aber heuer noch sehr viel verkaufen. Brauchen Sie dazu die Expo nicht?

Schneider: Also, ich kenne wenige, die auf der Expo ein Geschäft gemacht haben. Gut, abgeschlossen vielleicht schon. Aber sicher nicht angebahnt.

STANDARD: Konkret streben Sie ein Verkaufsvolumen von 150 bis 200 Millionen Euro für heuer an. 36,6 waren es im ersten Halbjahr - geht sich das noch aus?

Schneider: Natürlich glaube ich, dass es sich ausgehen wird. Drei, vier große Transaktionen sind kurz vor dem Abschluss. Wenn wir das hinbringen, sind wir bei den 150 Millionen. 2012 hatte die Conwert noch 427 Millionen Euro an Sales, 2013 waren es 270 Millionen. Jetzt sind wir schon unten bei 150, da wir uns beim Verkauf im Wesentlichen auf Portfoliobereinigung konzentrieren. Aber das halte ich auch für machbar.

STANDARD: Da haben Sie jetzt die Latte recht elegant tiefer gelegt. Es werden also eher 150 heuer?

Schneider: Die Range liegt nach wie vor zwischen 150 und 200. Grundsätzlich wollen wir weg vom Verkaufen, also vom alten Kerbler-Kowar-System (Gründer und Exvorstände, Anm.) namens "Kaufen, Parifizieren/Entwickeln, Verkaufen". Das hat Conwert zwar groß gemacht, es ist aber nicht das, was der Markt gegenwärtig haben will. Die institutionellen Investoren erwarten, dass wir uns auf die Bewirtschaftung und Weiterentwicklung unserer Immobilien konzentrieren und das Leerstands- und Reversionary-Potenzial (Wiedervermietungspotenzial, Anm.) heben. Dazu gehört auch, Leerstände zu senken und wirklich mit dem Portfolio zu arbeiten, um den Wert zu maximieren. Das wird gutgehen, solange die Zinsen tief sind. Wie wir von der EZB gerade wieder gehört haben, wird das noch einige Zeit so sein.

STANDARD: Von Analyst Günther Artner von der Erste Group gibt es Kritik, dass Ihr Portfolio aussieht, "als hätte man mit einer Schrotflinte auf eine Landkarte gezielt" - es ist also, positiver formuliert, nach den ganzen Zukäufen in der Vergangenheit sehr breit gestreut.

Schneider: Da hat der Herr Artner nicht unrecht. Heute erfolgreich ein Portfolio zu managen heißt auch, es im ökonomischen Sinn gut zu bewirtschaften. Und da kann ich natürlich nicht einen Mitarbeiter in der Verwaltung haben, der im Monat 37 Stunden lang im Auto sitzt und irgendwo hinfährt. Conwert ist überall in Deutschland, wir haben auch sehr viel in Österreich und kleine Bestände in Luxemburg, in Tschechien, Ungarn und der Ukraine. Davon verabschieden wir uns aber sukzessive. Österreich und Deutschland werden bleiben, und dort werden wir uns an sechs Standorten konzentrieren: Wien und Umgebung, Berlin, Potsdam, Dresden, Leipzig und Nordrhein-Westfalen. Südbayern, Wiesbaden oder Saarbrücken - nur um Beispiele zu nennen -, das ist die Vergangenheit, davon wollen wir uns trennen. Wir wollen zu 80 Prozent in Deutschland und zu 20 Prozent in Österreich sein und ebenso zu 80 Prozent im Wohnen und zu 20 Prozent im Gewerbe.

STANDARD: Diese Portfoliobereinigung geht aber nur mit Verkäufen?

Schneider: Nicht nur, wir planen ab 2015 auch opportunistische Zukäufe. Aber mit der freien Liquidität, die aus den Verkäufen kommt, gibt es zwei Marschrichtungen: Eine heißt, unser schwieriges Erbe, das wir haben - nämlich eine relativ hohe Refinanzierung, und das ist bitte nicht als Kritik an der Vergangenheit zu sehen -, billiger zu machen, also den durchschnittlichen Zinssatz zu senken: 20 bis 30 Basispunkte werden wir bis Jahresende geschafft haben. Die andere Richtung wird die Portfoliofokussierung in den Kerngebieten. Wien hat für mich dabei einen Sonderstatus als Cash-Reserve: Ein Wiener Zinshaus mit einer Rendite von drei bis vier Prozent ist nicht der Renner. Aber wenn man ein Zinshaus in Wien verkaufen will, ist das sehr schnell erledigt.

STANDARD: Dieser schnelle Rückzug aus manchen Gegenden geht aber wohl nur mit Verkäufen an Investoren?

Schneider: An wen soll ich sonst verkaufen?

STANDARD: An die Mieter.

Schneider: Parifizierungen sind natürlich spannend, ich selbst glaube aber nicht daran. Da muss man nämlich auch Kosten-Nutzen- bzw. Zeitanalysen anstellen. Man verkauft von einem Zinshaus den dritten und den zweiten Stock relativ problemlos, den ersten Stock schon mit Mühe, und auf dem Erdgeschoß bleibt man sitzen. Das sind dann die sogenannten "Restanten", die viel zu viel Arbeit und zu viel Risiko bringen. Nein, unser erster Schritt sind immer private lokale Investoren, die solche Pakete kaufen können. Der zweite Schritt ist der Paketverkauf an internationale Investoren. Die haben großen Appetit. Das soll jetzt nicht heißen, dass wir die bestehenden Restanten nicht auch weiterhin verkaufen. Aber ich werde mit Sicherheit keine neuen Restanten aufmachen. Das bringt nur einen Haufen operativer Kosten, den ich nicht haben will und nicht haben darf.

STANDARD: Sprechen wir über Ihren Net-Asset-Value (NAV). Da gibt es bei der Conwert - wie bei anderen heimischen Immo-AGs auch - einen riesigen Abschlag zum Aktienkurs. Mancher Kollege von Ihnen hält aber ein 1:1 gar nicht für erstrebenswert, weil das auch vor der letzten großen Krise der Fall war. Und dann hat's bekanntlich gekracht.

Schneider: Diese Meinung kann ich nicht teilen. Wenn man sich den NAV einer LEG oder TAG in Deutschland ansieht, dann merkt man schnell, dass das in Österreich auch ein Branchenproblem ist. Da sind von manchen Marktteilnehmern in der Vergangenheit - ich nenne jetzt keine Namen - große Fehler gemacht worden. Diese haben dazu geführt, dass man heute, wenn man international auftritt und sagt, man habe mit Immobilien zu tun und komme aus Österreich, automatisch schief angeschaut wird. Das ist unser wahres Problem. Diesen Ruf müssen wir endlich ablegen, denn wir sind insgesamt toll aufgestellt, die heimischen Unternehmen entwickeln ja auch in Deutschland recht viel. Unseren NAV-Abschlag von derzeit rund 40 Prozent abzubauen wird dauern. Aber wir arbeiten daran und können dem Markt versichern, dass wir mit unseren Verkaufsgesprächen in Tschechien und der Slowakei gut unterwegs sind. Unsere Luxemburg-Beteiligung ist auch nur eine Sache des Preises. Die Ukraine wird uns leider noch ein bisschen länger beschäftigen. Da haben wir allerdings nur eine einzige -schöne - Büroimmobilie.

STANDARD: Nicht ganz voll vermietet, oder?

Schneider: Sagen wir so: Sie ist voll nicht vermietet (lacht). Wenn wir überall anders von einem Leerstand von zehn Prozent reden, dann reden wir dort über den Vermietungsgrad in selber Höhe. Aber das Risiko ist zum Glück überschaubar. Da wurde schon massivst abgewertet.

STANDARD: Zum Development: Das ist ja durchaus ein riskantes Geschäft. Wo wollen Sie entwickeln?

Schneider: Wir entwickeln bei unseren bestehenden Immobilien laufend. Im Hinblick auf Neuentwicklungen reden wir allenfalls in ein paar Jahren über mögliche weitere Projekte. Das steht aber erst zur Debatte, wenn wir den ersten Schritt bewältigt haben, also das Portfolio auf Deutschland und Österreich im Verhältnis 80 zu 20 konzentriert haben.

STANDARD: Derzeit machen Sie aber schon ein Projekt in Berlin.

Schneider: Ja, eine Neuentwicklung machen wir in Berlin, ein kleines Projekt. Wir werden auch in Wien ein kleines Projekt machen. Aber vom großen Einstieg ins Development reden wir erst in einem Zeitraum nach 2017 oder 2018. Die Weiterentwicklung unserer Immobilien, das sogenannte Brownfield-Development, machen wir aber ohnehin schon die ganze Zeit, beispielsweise in Berlin-Spandau. Die Mieter werden ausgemietet, die Häuser generalsaniert und danach statt um vier Euro um 6,50 Euro oder mehr vermietet. Das funktioniert sehr gut. In Spandau haben wir gerade 250 Wohneinheiten fertiggestellt. Die waren in ein paar Wochen weg. An drei weiteren Türmen arbeiten wir gerade, da haben wir jede Woche Anfragen, wann die fertig sind.

STANDARD: Dieses "Erbe" aus der Kerbler-Kowar-Zeit, also das Entwicklungspotenzial im Altbestand, nehmen Sie wohl doch gerne an?

Schneider: Ja, natürlich. Das ist eine tolle Erbschaft. Es ist nicht jedes Erbe schlecht. Und ich glaube, ich gehe mit diesem Erbe auch sehr respektvoll um. Über die Erbschaft der Swaps bin ich nicht so happy, aber da gibt es eben ein lachendes und ein weinendes Auge.

STANDARD: Die hohe Leerstandsrate von mehr als neun Prozent wurde schon angesprochen. Wo wollen Sie da mittelfristig hin?

Schneider: Der normale Leerstand, mit dem wir glücklich sind, liegt bei drei Prozent. Wenn ich aber einen quasi selbstgewollten normalen Leerstand von drei Prozent habe, dann habe ich gleichzeitig null Entwicklungspotenzial. Bei einem Leerstand von zehn Prozent ist das Potenzial viel größer.

STANDARD: Wie wirkt sich die deutsche Mietpreisbremse auf Ihr Geschäft aus?

Schneider: So wie für alle anderen. Da sind wir alle im gleichen Boot gefangen. Wir sind nur in kleinem Ausmaß bei den Wiedervermietungen betroffen. Ich glaube nur, dass der Gesetzgeber die Mietpreisbremse sehr bedacht einsetzen sollte. Denn die Erhaltung einer Wohnung, die Investitionen, damit alles passt für die Mieter, das kann nur vom Eigentümer kommen. Wenn der aber auf der anderen Seite den Return nicht hat, dann glaube ich nicht, dass das ein guter Weg ist.

STANDARD: Kunde oder Aktionär - wem fühlen Sie sich mehr verpflichtet?

Schneider: Allen Stakeholdern, mit denen wir zu tun haben. Haben wir glückliche Mieter, dann haben wir auch glückliche Investoren. Denn ein glücklicher Mieter bleibt. Das heißt, ich habe niedrige Leerstandsraten, kann diese vielleicht noch reduzieren.

STANDARD: Apropos: Analysten bezweifeln, dass Sie für heuer eine Dividende zahlen können.

Schneider: Wir haben gesagt, dass wir langfristig 50 bis 60 Prozent des FFO (Funds from Operation, Anm.) zahlen werden - wenn es das Ergebnis hergibt. Ich weiß, dass es Kollegen gibt, die sagen, sie zahlen 100 Prozent FFO unabhängig vom Ergebnis. Ich glaube aber, dass man das Unternehmen schädigt, wenn man das aus der Substanz nimmt und nicht verdient. Wir werden uns bemühen, Dividende zu zahlen, aber ich möchte für dieses Jahr keine überzogenen Hoffnungen wecken. Ich sage: Machen wir zuerst das Unternehmen attraktiv, biegen wir das Portfolio gerade. Das wird zwölf bis 18 Monate dauern, aber dann wird jeder mit der Dividende zufrieden sein. (DER STANDARD, 4.10.2014)