Was immer man von Gerald Klugs Bundesheer-Sparplänen hält - aus Sicht der Landesverteidigung sind sie sicher fragwürdig -, eines muss man dem Verteidigungsminister und seinen Generälen zugestehen: Zumindest werden in einem Ressort nutzlose Ausgabenposten offen infrage gestellt. Mit der Schließung von 13 Kasernen und fünf Militärkapellen folgt Klug im Grunde den Empfehlungen des Rechnungshofes. Und das ist mehr, als viele andere Minister von sich behaupten können.

Dass es in Klugs Ressort überhaupt so weit gekommen ist, hat einen Grund: Das Heer ist pleite und kaputt. Im Augenblick der Not haben Politiker keine Wahl, als hart durchzugreifen.

Doch die Heeresmisere ist nicht die Folge einer Naturkatastrophe, sondern wurde fahrlässig herbeigeführt. Jahrzehntelang wurden Probleme ignoriert und Reformen verschleppt. Erst als die Rücklagen aufgebraucht waren und selbst der Treibstoff ausging, legte der Minister einen Plan vor, der mehr war als eine Placebokur.

Alle anderen Problemfelder der Republik stecken hingegen in einer früheren Phase: Überall geht es langsam bergab, und die Prognosen sind beunruhigend, aber irgendwie funktioniert es doch noch.

Die Schulen werden zwar schlechter, aber noch wird in den Klassenzimmern das Wesentliche gelehrt. Die Unis rutschen in internationalen Rankings ab, aber sie bringen weiterhin ausgezeichnete Absolventen und große wissenschaftliche Leistungen hervor. Das Gesundheitssystem krankt an vielen Ecken und Enden, aber die meisten Patienten finden doch Hilfe und Heilung.

Die großen, für die Staatsfinanzen so bedrohlichen Probleme unseres Pensionssystems liegen noch weit in der demografischen Zukunft: Noch werden die Pensionen ausbezahlt, ohne dass in den Pensionsanstalten das Geld knapp zu werden droht. Die Wirtschaft wächst zwar immer langsamer, aber sie ist nicht in einer Rezession. Und der öffentliche Schuldenstand hat zwar eine Höhe erreicht, die einst alle Alarmglocken hätte läuten lassen, aber dank der niedrigen Zinsen ist davon im laufenden Budget nicht viel zu merken.

Es ist dieser schleichende Niedergang, der in der Politik jeden Reformwillen bremst. Solange die Krise nicht mit Händen zu greifen ist, will niemand das politische Kapital einsetzen, das echte Veränderungen fordert. Politiker, die das dennoch wagen, zahlen in Umfragen und Wahlen meist einen hohen Preis: so etwa vor einem Jahrzehnt der deutsche Kanzler Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010 und heute die steirische rot-schwarze Reformpartnerschaft. Auch in den Euro-Krisenländern hat man den Eindruck, dass der Wille und die Möglichkeit zu durchgreifenden Strukturreformen rasch nachlassen, sobald die Staatspleite nicht mehr vor der Tür steht.

Es wäre das Zeichen einer vorausschauenden Politik, dass sie nicht erst die Krise als Chance ergreift, sondern diese schon im Vorfeld vermeidet. Die Risiken zu erkennen ist nicht so schwer: Experten von Rechnungshof und Wifo produzieren Tonnen an Papier, auf dem sie nützliche und notwendige Maßnahmen skizzieren. Diese umzusetzen erfordert jedoch mehr Mut, als einzelnen Politikern, und vor allem dem politischen Kollektiv, zu eigen ist.

Der Weg über den Notstand zur Reform ist im Heer schmerzhaft genug. Lässt sich in anderen Bereichen dieser Zwischenstopp vermeiden? Das ist die Schlüsselfrage der kommenden Jahre. (Eric Frey, DER STANDARD, 6.10.2014)