Die Geschichte dominiert bis heute das Stadtbild. Nur die Nutzung der alten Gemäuer verändert sich zusehends.

Foto: Zoidl

Wen auch immer man im polnischen Lódz fragt, alle sind sich einig: Mit der Stadt wird es weiterhin bergauf gehen. Doch die Stimmung hier war nicht immer so optimistisch. Nach dem Zerfall der Sowjetunion kam der drittgrößten Stadt Polens der wichtigste Wirtschaftszweig abhanden: Die Textilindustrie, der Motor von Wirtschaft und Wohlstand im 19. und frühen 20. Jahrhundert, wanderte nach China ab und hinterließ leere Fabriksgebäude. Dann tat sich jahrzehntelang nicht viel.

Design statt Fabriken

Heute ist alles anders - obwohl vieles noch gleich ausschaut: Noch immer dominieren die backsteinroten Fabriken mit ihren prunkvollen Eingangstoren und den angrenzenden Arbeiterwohnbauten das Stadtbild. Doch wo früher gewebt und gesponnen wurde, sind heute Galerien, Designshops, Einkaufszentren, Wohnungen und Hotels zu Hause. Auch Österreicher haben das Potenzial der schmucken Fabriken erkannt - etwa jener des Industriellen Izrael Poznanski, wo 1852 der erste Webstuhl aufgestellt wurde.

Heute gibt es hier keine Webstühle mehr, dafür Betten: Die österreichische Warimpex AG hat hier das Hotel Andel's in einem Komplex der Fabrik entwickelt. Vor fünf Jahren wurde es eröffnet und setzte neue Impulse für die Region, ist der Architekt des Projekts, Wojciech Poplawski von OP Architekten mit Sitz in Warschau und Wien, überzeugt.

Fabrik mit Designelementen

Denn gemeinsam mit der benachbarten Manufaktura, einem Einkaufszentrum mit insgesamt 90.000 Quadratmetern Verkaufsfläche, war es das erste große Projekt, bei dem das Potenzial der alten Gebäude ausgenutzt wurde. 277 Zimmer entstanden im Hotel Andel's, das von der Vienna International Group gemanagt wird. Die alte Substanz wurde mit Designelementen kombiniert. Das ursprüngliche Gebäude war sehr dunkel, erzählt die Hoteldirektorin Anna Olszynska. Daher wurden von den Architekten Lichtschächte erdacht, die das Licht von oben bis in die Hotellobby transportieren.

Originalgegenstände, die in der alten Fabrik gefunden wurden, verweisen auf die Geschichte des Gebäudes. Und die Zahlen sind vielversprechend: Die Auslastung des Hotels liegt laut Olszynska bei 60 Prozent, das Potenzial sei groß, denn: "Jedes Jahr kommen mehr Touristen." Auch Warimpex-Vorstand Franz Jurkowitsch ist zufrieden - immerhin wurde das Hotel inmitten der Wirtschaftskrise eröffnet: "Und wir sind noch nicht am Ende der Entwicklung."

Blick auf die Zahlen

Auch die Stadt scheint mittlerweile auf den Geschmack gekommen zu sein: Dort, wo früher die Fabriksarbeiter des Industriellen Karl Scheibler gelebt haben, wohnen auch heute noch immer Menschen, erzählt der Lódzer Tourguide Maciej Kronenberg. Er wird vom Lärm eines Baggers unterbrochen - denn hier herrscht selbst an einem Samstag emsiges Treiben. Die Häuser, die der Stadt gehören, werden renoviert. Bis vor kurzem habe es hier nur Wohnbau gegeben, erzählt der Tourguide. Nun soll es mehr Mischnutzung geben - Hotels und Restaurants seien geplant. Workshops von jungen Künstlern und Flohmärkte gibt es bereits. Derzeit warte man auf Gelder der EU.

Ganze Stadtteile werden rund um die historische Substanz herum neu entwickelt. Auch für eine Schnapsfabrik, die vor einigen Jahren pleiteging, gibt es Pläne - ein neuer Besitzer will sie angeblich in ein Bürogebäude umwandeln. Doch ein Blick auf die aktuellen Marktdaten von Colliers International zeigt: Der Lódzer Büromarkt ist klein. 232.000 Quadratmeter Bürofläche gab es im Vorjahr insgesamt, 20.400 Quadratmeter Neuflächen wurden fertiggestellt.

Hilfe für Investoren

Die Leerstandsrate lag 2013 bei 17 Prozent. Auch die Bevölkerungszahlen sind seit Jahren rückläufig. Wer investieren will, der wird aber jedenfalls mit offenen Armen empfangen: Interessenten bekommen von der Stadt einen Koordinator zur Seite gestellt, der in der polnischen Bürokratie weiterhilft.

In wenigen Wochen kommt noch eine gewaltige frische Brise nach Lódz: Die Fashion Week macht hier alljährlich Station. Sie wird wohl wieder ein internationales Publikum anziehen. So hat die Textilindustrie am Ende also doch den Weg zurück nach Lódz gefunden. (Franziska Zoidl, DER STANDARD, 3.10.2014)