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Für Alenka Bratusek sah es nach den Anhörungen schlecht aus beim Kommissarsamt. Obwohl sie als Premierministerin Slowenien vor der Pleite rettete, bemängelten Abgeordnete ihre Kompetenz.

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Für die Tschechin Vera Jourová gab es hingegen bereits grünes Licht vom EU-Parlament.

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Ein Personalpoker bis zur letzten Minute - das zeichnete sich Dienstagabend nach dem Abschluss der der Anhörungen der 27 Kandidaten für die neue EU-Kommission ab. Insgesamt fast 90 Stunden lang waren die Bewerber von den zuständigen Fachausschüssen des Europäischen Parlaments seit Anfang vergangener Woche auf ihre Eignung geprüft worden.

Den Abschluss machte Außenminister Frans Timmermans aus den Niederlanden. Der Sozialdemokrat wird voll vertretungsberechtiger Vize für den christdemokratischen Präsidenten Jean-Claude Juncker sein. Beide führen eine Arbeitskoalition ihrer Parteifamilien EVP und S&D im Parlament. Timmermans gab vor dem Ausschuss eine beeindruckende Vorstellung ab, nicht zuletzt, weil er neben seiner Muttersprache perfekt Englisch, Französisch, Deutsch und Italienisch sprach. Neben seiner Koordinierungsfunktion wird er für Grundrechte und für mehr Effizienz in Gesetzgebung und Vollzug in der EU zuständig sein.

Er versprach, sofort nach Amtsantritt in enger Kooperation mit den Parlamenten (auch auf nationaler Ebene) für eine Entrümpelung der Regelungen zu sorgen. Europa müsse das Vertrauen der Bürger gewinnen, verständlicher werden, rascher handeln können, erklärte Timmermans. Es werde gelingen, die Kommission als Regierungsteam zu formen, Einzelkämpfertum abzustellen.

Timmermans und Mogherini souverän

Was die Grundrechte betrifft, werde er nicht dulden, dass Staaten - wie zuletzt Ungarn - die in der EU-Charta garantierten Rechte ihrer Bürger einschränken, sagte Timmermans. Alle Möglichkeiten würden dabei ausgeschöpft. Es sei inakzeptabel, wenn die Mitgliedsstaaten das gemeinsame Recht nicht umsetzten. Dazu werde es mit allen Regierungen zunächst "Dialog und Verhandlungen geben", notfalls aber Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Timmermans Auftritt wurde von praktisch allen Fraktionen begrüßt. Seine Bestätigung stand ebenso wenig infrage wie jene der Außenbeauftragten Federica Mogherini, die auch Vizepräsidentin sein wird, so wie bei dem für digitale Wirtschaft zuständigen Andrus Ansip und dem für Wachstum und Jobs zuständigen finnischen Ex-Premier Jyrki Katainen, der vor Timmerman befragt wurde. Aber nicht bei allen Kandidaten lief es so glatt.

Juncker wird in jedem Fall geringfügige Änderungen an den Kompetenzen vornehmen müssen. So hat der Kulturausschuss beim früheren ungarischen Justizminister Tibor Navracsics Nachbesserungen verlangt, obwohl man ihn als Kommissar für geeignet befand. Er dürfte in seinem Dossier die Zuständigkeit für Bürgerrechte verlieren.

Deal der Großparteien

Ob ein Kandidat oder eine Kandidatin als völlig ungeeignet erachtet wird, dürfte sich aber erst heute, Mittwoch, entscheiden. Da trifft der Kommissionspräsident die Spitzen der Fraktionen und des Parlaments, um über die Konsequenzen aus den Empfehlungen der Ausschüsse zu beraten.

Die Abgeordneten können einzelne Kommissare nicht direkt ablehnen oder abwählen. Das Plenum darf nur über das gesamte Kollegium abstimmen, was für 22. Oktober geplant ist. Es obliegt allein Juncker, über die Verteilung von Kompetenzen und die Personen seines Teams zu entscheiden.

Die für Justiz vorgesehene Tschechin Vera Jourová, die im Ausschuss schwach war, wurde Dienstag überraschend bestätigt. Düster sah es hingegen für die frühere slowenische Premierministerin Alenka Bratusek aus, die im Ausschuss nicht überzeugte.

Das größte Handicap der Liberalen dürfte aber sein, dass sie keiner Parteienfamilie angehört, also von der großen Koalition aus EVP und SP auch nicht gestützt wird. Bratusek könnte also das "Bauernopfer" werden, damit andere umstrittene Kandidaten wie der Brite Lord Hill (Konservative), der Franzose Pierre Moscovici (SP) oder der Spanier Miguel Arias Cañete (EVP) durchgewunken werden können. Juncker sah dies am Dienstag gelassen. Er habe keinen "Plan B", ließ er eine Sprecherin verkünden. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, 8.10.2014)