Berlin - Rein mathematisch müsste die Methode sinnvoll sein: Wenn die Populationszahl einer Spezies in einem Gebiet zu niedrig ist, ergänzt man sie einfach, indem man dort weitere Tiere dieser Art aussetzt. Der Erfolg der Methode hängt aber nicht zuletzt vom natürlichen Verhalten der Tiere ab. Bei Hechten kann es Probleme geben, wie die Humboldt-Universität zu Berlin berichtet.

Sogenannter "Fischbesatz" - also das Einbringen von künstlicher Brut in einem Gewässer - ist laut Fischereiwissenschafter Daniel Hühn eine gängige Praxis, für deren tatsächliche Erfolgsrate aber bislang Zahlen fehlten. Nun führte Hühns Forscherteam unter Leitung von Robert Arlinghaus von der Humboldt-Uni eine Studie durch, die genau dies am Beispiel von Hechten untersuchte. Und laut der im "Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences" veröffentlichten Studie führt die Maßnahme nur vorübergehend zu einer Steigerung des Junghechtbestandes - dann funkt der speziestypische Kannibalismus dazwischen.

Kleine Kannibalen

Bereits ab einer Köperlänge von etwa drei bis fünf Zentimetern beginnen die Minihechte, ihre noch kleineren Artgenossen zu jagen. Werden einem Gewässer mit schon vorhandenem Hechtnachwuchs künstlich aufgezogene Brütlinge hinzugefügt, steigt die Hechtdichte. Versteckmöglichkeiten werden somit rarer, gleichzeitig steigt die Wahrscheinlichkeit, von Artgenossen gefressen zu werden. Wegen des rasch einsetzenden Kannibalismus kann die Anzahl der Junghechte durch Besatz demnach nur kurzfristig erhöht werden.

"Bereits drei Monate nach dem Besatz geht der künstlich erhöhte Hechtjungfischbestand wieder auf ein natürliches Niveau zurück", sagt Arlinghaus und ergänzt: "ähnliche Ergebnisse sind bei vielen anderen Raubfischen wie dem Zander und der Bachforelle auch zu erwarten - selbst wenn bei diesen Arten der Kannibalismus später einsetzt als beim Hecht."

Methode nur unter bestimmten Umständen sinnvoll

Unabhängig vom Kannibalismus kann darüber hinaus die Konkurrenz um Nahrung und Versteckplätze die Population wieder schrumpfen lassen. Zudem sehen Naturschützer beim Jungfischbesatz verschiedene Risiken: Möglicherweise etablieren sich über den künstlichen Besatz in natürlichen Beständen gebietsfremde Gene. Bei Kreuzungen zwischen Satz- und Wildfisch kann dies zum Verlust genetischer Vielfalt führen. Darüber können die Gewässer mit Krankheiten kontaminiert werden.

Die Studie zeigte aber auch, dass Hechtbesatz sinnvoll sein kann - jedoch nur unter ganz bestimmten Umständen: Dann nämlich, wenn in einem Gewässer die natürliche Vermehrung der Hechte stark eingeschränkt ist oder gar ganz ausbleibt. Am besten funktioniert Hechtbesatz in Gewässern ohne natürliche Bestände - wenn etwa Laich- und Jungfischlebensräume aufgrund von Gewässerausbau und Nährstoffeintrag verloren gegangen sind. "In allen anderen Fällen kann künftig guten Gewissens auf den natürlichen Hechtbestand vertraut werden", so Hühn. (red, derStandard.at, 8. 10. 2014)