Regensburg - Was bei Wirbeltieren fast ausnahmslos vorkommt, ist bei Blütenpflanzen eher eine Seltenheit: Nur etwa sechs Prozent der rund 250.000 bekannten Blütenpflanzenspezies weisen getrennte Geschlechter auf (Diözie). Alle anderen Blütenpflanzen sind Zwitter mit Fortpflanzungsorganen beider Geschlechter entweder in einer einzelnen Blüte oder zumindest an einer Einzelpflanze.

In einzelnen Pflanzengruppen, aber auch in bestimmten Regionen der Erde kommt diese getrennte Geschlechtlichkeit häufiger vor: So besteht etwa die neuseeländische Flora aus über zwölf Prozent diözischer Blütenpflanzenarten, der Hawaii-Archipel aus mehr als vierzehn Prozent.

Neuseeland im Fokus

Vor diesem Hintergrund untersuchten Forscher um Christoph Oberprieler vom Institut für Botanik der Universität Regensburg die Entwicklungsgeschichte der südpazifischen Gattung Leptinella (Fiederpolster). Diese Gattung umfasst 34 Arten und kommt in Australien, Neuguinea, Neuseeland, Südamerika und den subantarktischen Inseln vor, wobei Neuseeland mit 21 Arten das größte Verbreitungsgebiet dieser mit der Kamillenpflanze verwandten Korbblütengewächse darstellt. Bei acht davon tritt Getrenntgeschlechtlichkeit auf.

Wie die Forscher im Fachblatt "Taxon" berichten, gelang es nun, die Entstehung der Getrenntgeschlechtlichkeit in dieser Pflanzengruppe zu rekonstruieren. Dazu wurden alle neuseeländischen Leptinella-Arten vor Ort gesammelt und mithilfe molekulargenetischer Methoden analysiert. Beim Vergleich ließen sich die neuseeländischen Arten in drei Evolutionslinien unterteilen: Eine Gruppe weist lediglich einen Chromosomensatz mit einer relativ niedrigen Chromosomenzahl auf. Bei den beiden anderen Gruppen ist es durch wiederholte Kreuzungsereignisse zu einer Verdoppelung der Chromosomensätze (Polyploidisierung) und zu einer Vergrößerung der Chromosomenanzahl mit bis zu 312 Chromosomen pro Zellkern gekommen.

Klima als Hauptfaktor

Getrenntgeschlechtlichkeit tritt allerdings nur in einer dieser beiden polyploiden Artengruppen auf: Bei Arten mit besonders hohen Chromosomenzahlen. Unter anderem durch Stammbaum-Rekonstruktionen konnten die Forscher zeigen, dass die Differenzierung in die drei Evolutionslinien vor etwa fünf bis zehn Millionen Jahren stattfand. Die polyploiden und damit auch die getrenntgeschlechtlichen Arten entstanden allerdings erst im Zuge der fortschreitenden Hebung der Neuseeländischen Alpen im Pliozän (vor 5,3-2,6 Mio. Jahren) und der Abfolge von Kalt- und Warmzeiten während der Eiszeiten des Pleistozäns (vor 2,6-0,01 Mio. Jahren).

Die Forscher vermuten, dass gerade die wechselnden klimatischen Bedingungen des Eiszeitalters zu einer verstärkten Kreuzung zwischen zuvor getrennten Fortpflanzungsgemeinschaften geführt haben - was wiederum die nachfolgende Neubildung von getrenntgeschlechtlichen Arten bewirkte. (red, derStandard.at, 9.10.2014)