Außenminister Sebastian Kurz, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Justizminister Wolfgang Brandstetter beim "Gipfel gegen Hass und Hetze".

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Wien - Selbstkritisch zeigte sich die ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner zum Auftakt des Expertengipfels gegen Hass und Hetze im Innenministerium am Dienstag. Angesichts der vielen, vor allem jungen Menschen, die in den Jihad ziehen – europaweit sind es Schätzungen zufolge über 3.000, in Österreich 150 –, müsse sich die Gesellschaft fragen, warum sich junge Menschen radikalisieren. Mikl-Leitner stellte die Frage, ob dies etwa durch die negative Erfahrung von Ausgrenzungen und Abwertungen zurückzuführen sei.

Man müsse jungen Menschen Wertschätzung, Perspektive und Arbeit bieten. IS-Terroristen würden jungen Menschen Zugehörigkeit und Selbstvertrauen geben und den Eindruck vermitteln, dass diese sich vom "Underdog" zum "Topdog" hochkämpfen könnten. Man müsse daher Kinder bereits im Kindergarten zu Toleranz erziehen, "denn Vorurteile sind der Nährboden von Gewalt".

"Tickende Zeitbombe"

Mittlerweile seien 60 Foreign Fighters aus Syrien nach Österreich zurückgekehrt. Diese seien eine "tickende Zeitbombe" und stünden daher zu Recht im Fokus des Staatsschutzes. Mikl-Leitner erklärte, man müsse an einem Strang ziehen und gegen den Jihadismus ankämpfen. Neben Repression seien auch Prävention und gesetzliche Maßnahmen nötig.

Mikl-Leitner verwies etwa auf das Vorhaben der Regierung, "Terrorsymbole" zu verbieten, zugleich dürfe aber die Religionsfreiheit nicht in infrage gestellt werden.

"Wer Gewalt sät, wird Gefängnis ernten"

"Wer Gewalt sät, wird Gefängnis ernten", erklärte Justizminister Wolfgang Brandstetter. Seinen Gesetzesvorschlag für die Reform des Verhetzungsparagrafen wollte er ihm Rahmen des Gipfels von einer Expertengruppe diskutiert wissen. Wie bereits im Interview mit dem STANDARD angekündigt, soll der Tatbestand der Verhetzung klarer formuliert werden. Konkret wird er künftig schon wirksam, wenn vor nur zehn Personen gehetzt wird, bisher waren es mindestens 150.

Strafrahmen für Verhetzung

Für die "schweren und qualifizierten Fälle" schlägt Brandstetter eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor. In jenen Fällen, wo der Täter "ganz bewusst in Kauf nimmt, dass durch seine Hetztiraden andere Personen dazu gebracht werden, Gewalt zu üben gegen jene ethnischen Minderheiten, die vom Verhetzungstatbestand geschützt werden", sollen bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe möglich sein, so Brandstetter im Ö1-Morgenjournal, der zugleich dafür Sorge tragen will, dass das "Gerede am Wirtshaustisch" nicht zum Tatbestand wird.

Die Strafrechtlerin Susanne Reindl-Krauskopf zeigte sich bei ihrem Vortrag als "große Skeptikerin" bezüglich einer Anhebung der Strafandrohung. Denn empirisch sei nicht nachgewiesen, dass diese Täter abschrecke.

Brandstetter selbst betonte, ihm sei klar, dass man mit dem Strafrecht natürlich nicht alle Probleme lösen könne, auch nicht bei islamistischem Terror. Dort, wo man es brauche, müsse man das Strafrecht aber auch einsetzen.

Prävention sei besser als Repression, aber "wer hätte vor einem halben Jahr gedacht, dass sich junge Menschen so aufhetzen lassen, dass sie in den angeblich heiligen Krieg ziehen". In diesem Zusammenhang verwies Brandstetter auch auf die Verantwortung der Medien und sozialen Netzwerke. Hasspostings haben nichts mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit zu tun, sondern missbrauchen dieses Grundrecht, sagte Brandstetter.

Kurz gegen "Generalverdacht"

Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz erklärte in Zusammenhang mit den Luftangriffen der US-Armee, auf europäischer Ebene habe man sich dazu entschlossen, "nicht naiv zu sein und mit dem erhobenen Zeigefinger zu agieren". Er lobte den "Schulterschluss" gegen den Terror und unterstütze "entschlossenes Vorgehen der Justiz und Polizei". Betreffend Prävention komme der Islamischen Glaubensgemeinschaft eine bedeutende Rolle zu. Integrationsminister Sebastian Kurz wandte sich gegen einen Grundverdacht gegenüber Muslimen, würde sich doch die überwiegende Mehrheit nichts zuschulden kommen lassen und man brauche auch die Islamische Glaubensgemeinschaft, um positiv wirksam zu werden. Als gutes Zeichen befand Kurz, dass sich zum Gipfel der Vorsitzende der IGGiÖ Fuat Sanac gleich neben dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Oskar Deutsch eingefunden hatte.

Mit Youtube-Videos gegen Terror kämpfen

Mikl-Leitner will außerdem die Zusammenarbeit mit Google und Youtube verstärken, um besser gegen islamistischen Terror im Internet vorgehen zu können. Bei einem Gespräch mit Victoria Grand, Vorstandsdirektorin für Policy und Communications von Google und Youtube weltweit, wurde am Dienstag unter anderem vereinbart, gemeinsam Präventionsvideos zu entwickeln. (burg, APA, derStandard.at, 14.10.2104)