Für Wanderer ist es kein Geheimnis: Der Oktober zählt zu den besten Monaten, um die Zugspitze zu besteigen. Die Höhensonne scheint nicht mehr unerbittlich und der Massenansturm auf den 2.962 Meter hohen Gipfel hält sich im Herbst in Grenzen. Freilich: Etwas Wetter-Fortune und wenig Neuschnee sind die Voraussetzungen für die Tour. Wir haben uns für eine lange Variante mit Start auf der bayerischen Seite durchs Reintal entschieden und wollen dessen Abgeschiedenheit genießen.

Blick aus dem oberen Reintal zum Zugspitzenplatt
Foto: Thomas Fritz

Los geht es im Garmischer Morgengrauen entlang der Partnach, vorbei am Olympiastadion in Richtung Partnachklamm. Nach der Klamm beginnt ein mäßig steigender und etwas eintöniger Weg durch waldiges Terrain, der sich nach rund drei Stunden den Blick auf die Bergriesen zur rechten - Höllentalspitzen, Hoher Gaifkopf - und zur linken Hand - Hochwanner, Hinterreintalschrofen, Dreitorspitze - freigibt.

Richtung Westen gehen wir entlang der Partnach, passieren die Reintalangerhütte - mit herrlichem Blick auf die rund 1400 Meter abfallende Hochwanner-Nordwand. Nach 650 Höhenmetern auf zwölf Kilometer erwartet uns das gleiche Pensum auf den kommenden zwei Kilometern bis zur unterhalb des Zugspitzplatts gelegenen Knorrhütte. Durch grobes Buschwerk, später über Serpentinen durch Geröllhänge, dann ist die erste Zwischenetappe nach rund acht Stunden erreicht.

Noch Tageslicht für Tirol

Für schnelle Wanderer wäre der Gipfelaufstieg an einem Tag möglich, wir nutzen die verbliebenen drei Stunden Tageslicht aber, um übers Gatterl nach Tirol zu gelangen. Ziel: das malerisch gelegene Steinerne Hüttl im Gaistal.

Nach dem Grenzzaun geht es am Drahtseil zwanzig Meter steil bergab. Rechts die massiven Felswände des östlichen Gatterlkopfes, links eine tief eingeschnittene Bergweide. Gämsen und Murmeltiere erinnern uns daran, dass wir hier oben nur Gäste sind.

Das Reintal mit Wolken
Foto: Thomas Fritz

Wenig später folgen wir der linken Weggabelung - die rechte führt nach Ehrwald - eine Stunde bergab zum Steinernen Hüttl. Vor der Nachtruhe lassen wir uns Frankfurter mit Sauerkraut und Weißbier servieren. Dazu gibt’s einen echten Augenschmauß: den Blick auf die Hochwanner-Südwand und die am Horizont glitzernden Zillertaler Alpen.

Wanderstöcke empfehlenswert

Am nächsten Morgen kraxeln wir zurück übers Gatterl zur 1855 erbauten Knorrhütte. Sofort hinter der Hütte beginnt ein steil ansteigendes Geröllfeld: Wanderstöcke sind hier empfehlenswert. Nach zwei Stunden übers Platt lockt deutlich sichtbar der Gipfel. Erste Menschenumrisse sind auf dem Gipfelsteig zu erkennen.

Von der Seilbahnstation Sonnalpin dauert der meist durch Stahlseile abgesicherte Anstieg etwa eine bis eineinhalb Stunden. Danach belohnt bei wolkenlosem Himmel ein grandioses Alpen-Panorama, wenngleich der Touristenauflauf nach dem Erlebnis der Einsamkeit etwas irritiert. Weit hinten im Osten schimmert wieder das Zillertal, die Kuppe des Großglockners ist deutlich erkennbar und auch das Azurblau des Eibsees hält unsere Blicke fest.

Viele Varianten beim Abstieg

Je nach Laune, verfügbarer Zeit und körperlicher Verfassung gibt es nun verschiedene Möglichkeiten für die Rückkehr: Mit der bayerischen Zugspitzbahn nach Garmisch oder mit der Tiroler Zugspitzbahn nach Ehrwald; zu Fuß zurück über den Gipfelsteig nach Sonnalpin oder - um den Abstieg durchs Reintal zu beschleunigen - gleich per Seilbahn dorthin, in rund zweiminütiger Fahrt.

Der Blick ins Ehrwalder Becken
Foto: Thomas Fritz

Mit zwei Tagen sollten durchschnittliche Wanderer für die gesamte Tour von Garmisch-Partenkirchen zum Gipfel der Zugspitze rechnen, wenngleich sie schnellen Schrittes auch in nur einem Tag zu schaffen ist. Wer den Abstecher übers Gatterl ins Gaistal plant, kann eine gemütliche Drei-Tages-Tour daraus machen. Allerdings schließen viele Berghütten im Oktober, sodass man sich vorher über verfügbare Schlafplätze informieren und ausreichend Proviant einpacken sollte. Mit etwas Wetterglück wird die herbstliche Zugspitzwanderung jedenfalls zu einem Freudenfest für die Sinne. (Thomas Fritz, DER STANDARD, 18.10.2014)