Kobanê gerettet und Bagdad vor dem Sturm: So ungefähr lautet die mediale Vereinfachung der Lage in Syrien und im Irak nach einer Woche, in der kurdische Kämpfer und US-Luftschläge einen Großteil der syrischen Grenzstadt zurückgewinnen konnten, während der "Islamische Staat" (IS) sich in der irakischen Provinz Anbar weiter ausbreitete.

Noch lässt sich nicht sagen, ob die IS Kobanê aufgeben - und wohin sie weiterziehen - wird. Aber Kobanê ist immerhin ein Lichtblick, nicht nur militärisch, sondern auch politisch: Die USA - die 2013 dem Chef der syrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) wegen deren Nähe zur türkisch-kurdischen Arbeiterpartei PKK ein Visum verweigerten - reden erstmals mit der PYD. Ankara hat in den vergangenen Tagen vielleicht doch verstanden, dass kein Weg am Friedensprozess mit der PKK vorbeiführt, um den inneren Frieden in der Türkei zu wahren. Und auch die zerstrittenen syrischen und irakischen Kurdenfraktionen sind einander nähergerückt.

Im Irak gibt es nichts von alledem. Bagdad mit seiner schiitischen Bevölkerungsmehrheit wird nicht fallen - aber Ramadi, die Hauptstadt Anbars, ist in akuter Gefahr. In Irakisch-Kurdistan gestoppt, nahm die IS ihren Vormarsch in den arabischen Gebieten wieder auf. Und noch immer hebt der innerirakische Versöhnungsprozess nicht ab, ohne den alle militärischen Maßnahmen ohnehin sinnlos sind. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 18.10.2014)