Lydia Fabsics schlüpfte ins Eisbärenkostüm, um da "Eis zwischen den Mietern schmelzen zu lassen".

Foto: eSeL.at/Lorenz Seidler

Wien – Wieviel Diskurs ist in der Kunstszene nicht schon geführt worden über die Auflösung gesellschaftlicher Grenzen. Ironischerweise bleibt dieser Diskurs allerdings nicht selten eher im kleinen Kreis der Künstler. Die Medientheorie kennt für Systeme, in denen man sich hauptsächlich die eigene Meinung bestätigt, den Begriff "Echokammer".

Dass es der Kunst nicht schadet, da rauszukommen, zeigt das Projekt Kunstgastgeber Gemeindebau, das heuer bereits zum vierten Mal stattfindet. Die Idee: Künstler erarbeiten gemeinsam mit Bewohnern von Gemeindewohnungen kleine Interventionen oder Performances, die dann im Rahmen von geführten Touren zu sehen sind. Bespielt wird heuer der Robert-Uhlir-Hof im zweiten Wiener Gemeindebezirk.

Eine Station der Tour ist etwa die ebenerdig gelegene Wohnung von Franz Tomasek, der im Rollstuhl sitzt. In Tomaseks Garten inszeniert der Künstler Gerald Zahn ein Schneckenrennen, bei dem die Besucher Wetten abschließen können. Die Idee entwickelten Tomasek und Zahn gemeinsam, ausgehend von Tomaseks Jugenderinnerung ans Schneckensammeln.

Die "Kunstgastgeberin" und Teddybärensammlerin Lydia Fabsics führt in einen Gemeinschaftsraum: Dort läuft ein Video, in dem man Fabsics im Eisbärenkostüm – es gehört ihrer Tochter – den Hof erkunden sieht. Gedreht haben es die Künstler Johanna Tinzl und Stefan Flunger. Was im Mainstream fast schon ein bisschen verbraucht ist, der Performancekünstler im Tierkostüm, erfährt bei Fabsics eine sympathische Reanimation: Der Eisbär stehe für ihre Absicht, das "Eis zwischen den Mietern schmelzen zu lassen". Fabsics’ Erfahrungen als Mieterbeirätin sind am Soundtrack zum Video festgehalten.

Dass auf den insgesamt acht Stationen der Tour mitunter auch die Kommunikationsbarrieren zwischen Künstlern und Mietern sichtbar werden, bereichert das Projekt nur. Im günstigsten Fall kommen Momente wie bei Irene Coticchio und Waltraud Wallner heraus: die Musikerin und der Schlagerfan sorgen mit Spielzeugakkordeon und Tamburin für einen herzhaften Austausch zwischen Sizilien und Waldviertel. (Roman Gerold, DER STANDARD, 18./19.10.2014)