"Ihr streitets ja gar nicht!" - Julian Schmid (Grüne), Julia Herr (SP) und Stefan Schnöll (VP; von links) machten Moderator Gerfried Sperl, der auf spitze Wortmeldungen gefasst war, etwas ratlos. Die lapidare Begründung: "Wir müssen ja vielleicht irgendwann zusammenwohnen."

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Wien – Als junger Mensch könne man sich in Wien derzeit praktisch nur ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft (WG) leisten; darin waren sich Julia Herr, Julian Schmid und Stefan Schnöll in der Diskussion der Jungpolitiker auf dem 50. Wohnsymposium durchaus einig. Und nicht nur darin – doch dazu später.

"Immer nur WGs"

Schnöll, 26-jähriger Vizepräsident der Jungen Europäischen Volkspartei, ließ zunächst ziemlich tiefe Einblicke in seine aktuelle Wohnsituation zu. Er stammt aus Salzburg, studiert in Wien Jus und hat in der Bundeshauptstadt "bisher immer nur in WGs gewohnt", wie er berichtete.

Das Motto des Symposiums musste er nun aber aus gewissen Gründen beinahe als Provokation auffassen: "Wohnen im Jahr 2050? Ich weiß ja nicht einmal, wie ich in einem Monat wohnen werde!" Er habe nämlich "nicht mehr die Möglichkeit einer WG", sagte er etwas kryptisch, und sei deshalb aktuell auf Wohnungssuche. "Aber es ist derzeit wirklich sehr schwierig, eine Wohnung im leistbaren Segment zu finden."

Sein Hinweis, dass er außer-dem gerade in Wiener Neustadt seine Gerichtspraxis absolviere ("schlecht bezahlt – um die 900 Euro netto"), sorgte bei Moderator Gerfried Sperl für den nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag, dass er doch eigentlich auch "im Gericht wohnen" könnte – "da ist ja in der Nacht eh keine Verhandlung". Schnöll zog es aber vor, die zahlreichen Vertreter gemeinnütziger und gewerblicher Bauträger im Publikum so ganz nebenbei zu fragen, ob denn jemand für ihn "noch etwas frei" habe.

"Ausufernde Mieten"

Dass es als Junger heutzutage "wahnsinnig schwer" sei, eine Wohnung zu finden, bestätigte auch Julian Schmid, Jugendsprecher der Grünen im Nationalrat und selbst mit 25 Jahren der jüngste Abgeordnete. Im Unterschied zu Schnöll hat er zwar "seit kurzem eine neue Wohnung", wahrscheinlich sei er damit aber auch "der einzige Abgeordnete, der noch in einer Wohngemeinschaft wohnt" – und zwar zu viert. Auf die skeptische Frage des Moderators, ob das denn wirklich schon eine WG sei, antwortete er keck: "Wie viele haben denn 1968 in einer WG gewohnt, Herr Sperl?"

Julia Herr, SJ-Chefin mit Wurzeln im Burgenland, hat trotz ihres jungen Alters von 21 ebenfalls schon ein relativ bewegtes WG-Leben hinter sich: Doppelzimmer im Studentenheim Margareten, danach eine Siebener(!)-WG in Ottakring, jetzt eine "kleine Zweier-WG", ebenfalls im 16. Bezirk.

Auch sie kritisierte die ausufernden Mieten und wies in diesem Zusammenhang auf eine ihrer Ansicht nach äußerst besorgniserregende Statistik hin: Die (freien) Mieten in Österreich legten von 2000 bis 2011 um 40 Prozent zu, "während die Löhne und Gehälter im selben Zeitraum nur um 23 Prozent stiegen". Demnach werden Wohnungen also "immer teurer, und zwar signifikant".

Dass es genügend leistbaren Wohnraum gibt, nannte sie schon jetzt eine "Utopie", weshalb sie lieber gar nicht so weit in die Zukunft blicken wollte, wie es das Thema vorgab: "Leistbares Wohnen, darum muss man auch 2014 noch kämpfen."

Paris als Abschreckung

Der Grüne Schmid malte auch sogleich das Schreckgespenst Paris an die Wand: In der französischen Hauptstadt gebe es "unvorstellbar hohe Mieten, das könnten wir uns dort niemals leisten".

Mit Blick auf das Thema des Abends – "Wie wohnen wir 2050?" – sagte der gebürtige Kärntner, dass er angesichts der aktuellen Mietpreise in der verstärkten Wiederkehr des WG-Lebens auch so etwas wie einen großen Trend sehe. "Die eigene Wohnung, das wird abnehmen. Der neue Trend wird sein, eher wieder zusammenzuwohnen." Nachsatz: "aber in neuer Form." Wie dies aussehen könnte, blieb allerdings vage. Mehr Heimarbeit werde es wohl im Zuge der weiter voranschreitenden Digitalisierung geben, so der Grüne, "ich arbeite ja teilweise schon vom Smartphone aus".

VP-Politiker Schnöll hielt dem entgegen, dass es angesichts immer mehr Singlehaushalten möglicherweise auch in eine andere Richtung gehen könnte: "Shared Living, mit nur noch dem Notwendigsten – Schlafen, die Notdurft verrichten – in den eigenen vier Wänden." Arbeiten könne man ja woanders, etwa in der Bibliothek, mit den Kindern spielen gehe auch im Park – sofern es "öffentlichen Raum gibt, der diesen Namen auch verdient". Jedenfalls sollten vor allem kleinere Wohnungen gefördert werden – "mit 60 m², so etwas suche ich gerade" – und nicht Einfamilienhäuser.

Moderator Sperl stellte irgendwann fest, dass die Diskussion sehr gesittet ablief und es kaum Dispute gab. "Streiten – das machen wir Jungen nicht mehr", antwortete Schmid. Und Schnöll fügte auch einen durchaus plausiblen Grund hinzu, warum das so sei: "Wir müssen ja vielleicht irgendwann einmal zusammenwohnen." (mapu, DER STANDARD, 22.10.2014)