Der Japaner Mori (Kase Ryo, li.) bei einem Gelage - gewissermaßen eine charakteristische Hong-Sang-soo-Szene, die auch in "Hill of Freedom" nicht fehlen darf.

Foto: Viennale

Der koreanische Filmemacher Hong Sang-soo, der dieser Tage seinen 54. Geburtstag feiert, scheint auf den ersten Blick ein arbeitswütiger Zeitgenosse zu sein: In den letzten paar Jahren hat er konsequent einen, manchmal auch zwei neue Filme vorgestellt (zuletzt: Our Sunhi). Dabei steht die hohe Frequenz seines Outputs in krassem Widerspruch zu seinen Sujets: Die haben so gar nichts von hektischer Betriebsamkeit, sondern huldigen vielmehr auf eher gelassene Weise einer Art von Slackertum. Bevorzugt im Milieu von Filmschaffenden und Intellektuellen angesiedelt.

Jayueui Onduk / Hill of Freedom heißt nun sein jüngster, 66-minütiger Film, der beim Filmfestival in Venedig uraufgeführt wurde. Den Namen hat er von einem Café. Dort wiederum kehrt der Japaner Mori (Kase Ryo) gerne ein, der nach Korea gereist ist, um seine Freundin Kwon (Seo Younghwa) wiederzusehen. Allerdings ist diese ihrerseits vorübergehend abwesend. Mori mietet sich eher unwillig in einem traditionellen Guesthouse ein, das eine resolute ältere Dame betreibt; er selbst ist arbeitslos, und muss auf seine Reisekassa achten. Mori unternimmt kleine Streifzüge im Viertel, er stößt auf besagtes Café und macht neue Bekanntschaften. Diese beginnen fast immer mit der stereotyp hingelächelten Frage nach dem Grund seines Aufenthalts: "Geschäft oder Vergnügen?"

Die Geschichte ist einfach, sie besteht aus Beiläufigkeiten, alltäglichen Erlebnissen, kleinen Kalamitäten und zwischenmenschlichen Missverständnissen. Aber Hong bedient sich eines schönen, ebenso einfachen Kunstgriffs, um diesen Begebenheiten einen schrägen Drall zu geben: Am Beginn holt eine Frau - es ist Kwon - für sie hinterlegte Briefpost ab. Die dicht beschriebenen Blätter fallen ihr auf der Treppe aus der Hand - danach ist die Reihung der Seiten durcheinander.

Moris darauf notierte Schilderungen, die wiederum den Szenen des Films zugrunde liegen, erreichen den Zuschauer somit nicht in chronologischer Abfolge: Wir sehen die Wirkung deshalb vor der Ursache. Beziehungen sind schon sehr intim, erst später sieht man ihre Anbahnung. Ein Hündchen wird seiner Besitzerin zurückgebracht, nach einer Weile lernt der Finder die junge Frau überhaupt erst kennen.

Sanfte Irritation

Die sanfte Irritation, die Hong damit erreicht, wirkt erfrischend - und sein Konzept kein bisschen zwanghaft. Während man auf einer Ebene seinen Spaß an den kleinen, teils ins Absurde neigenden Episoden haben kann, bleibt man auf einer anderen Ebene kombinatorisch gefordert. Hong variiert Standardsituationen seines Werks: etwa die Abendessen in Lokalen, in die Hong meistens erst einsteigt, wenn die Schüsseln leer gegessen sind und der reichlich genossene Alkohol schon seine Wirkung tut.

Andererseits erzählt der Film so nebenbei auch vom immer noch leicht verspannten Verhältnis von Koreanern und Japanern - zwischen Mori und seiner eigensinnigen Wirtin entspinnt sich dazu ein in mehreren Episoden wiederkehrender Schlagabtausch. Und sowieso funktioniert Hill of Freedom auch als eine Etüde über Zeit - nicht nur im Kinokosmos des Hong Sang-soo. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 23.10.2014)