Der Drei-Schluchten-Damm in China ist ein Bauwerk mit gewaltigen Ausmaßen: Er besteht aus einer 2.309 Meter langen und 185 Meter hohen Staumauer und einem 600 Kilometer langen Stausee. Warnungen vor den ökologischen, geologischen und ökonomischen Folgen wurden bei der Planung kaum berücksichtigt.

Foto: IGB/Jörn Gessner

Die Wasserkraft erlebt derzeit rund um den Globus einen regelrechten Boom. Im Sinne der CO2-Bilanz mag das zwar ein positiver Trenbd sein, doch für die lokale Tier- und Pflanzenwelt können die riesigen Bauwerke verheerende Folgen haben. Wissenschafter fordern daher verbesserte Standards für den Bau und Betrieb der Anlagen. Sie präsentieren jetzt erstmals eine globale Datenbank, die es erlaubt, den Umfang und die möglichen Auswirkungen der zukünftigen Dämme zu bestimmen.

Aktuell befinden sich rund 3.700 große Staudämme im Bau oder in Planung. Dabei ist Wasserkraft zwar eine erneuerbare, aber nicht zwingend eine klimaneutrale und umweltfreundliche Energiequelle. Große Ströme – wie der Amazonas oder der Ganges – werden zunehmend und oftmals unumkehrbar verbaut. Weltweit könnte so bald jeder fünfte der verbliebenen, freifließenden Flüsse für Fische und andere Lebewesen nicht mehr durchwanderbar sein. "Dies stellt ein ernstzunehmendes Risiko für die einzigartige biologische Vielfalt in den betroffenen Regionen dar", sagt Christiane Zarfl von der Universität Tübingen, die die Ergebnisse jetzt in Kopenhagen präsentierte.

Wasserkraft-Boom in Entwicklungs- und Schwellenländern

Der Wasserkraft-Boom ist vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern in Südamerika, Südostasien sowie Afrika zu spüren – und damit in jenen Regionen, die einen Großteil der biologischen Vielfalt unseres Planeten beherbergen. Gerade die Binnengewässer zählen zu den artenreichsten Ökosystemen weltweit. Schon heute ist diese Vielfalt stärker gefährdet als im Meer oder an Land. Zusätzliche Staudämme werden diesen Rückgang noch weiter beschleunigen, befürchten Wissenschafter.

In Europa boomt hingegen der Ausbau von Kleinkraftanlagen. "Diese tragen nur wenig zur Energiesicherung bei, "verbrauchen" dabei aber überproportional viele natürliche Ressourcen in Form von freifließenden und durchwanderbaren Gewässerabschnitten", sagt IGB-Direktor Klement Tockner, der die Forschung des Instituts auf dem Gebiet der Wasserkraft leitet. "Trotz EU-Wasserrahmenrichtlinie, in der ein Verschlechterungsverbot für Gewässer verankert ist, werden viele der selbst in Deutschland nur noch selten zu findenden freifließenden Bäche unwiederbringlich verbaut."

Erste globale Datensammlung zu Staudämmen

Die Wissenschafter präsentieren jetzt erstmals eine globale Datenbank, die es erlaubt, den Umfang und die möglichen Auswirkungen der zukünftigen Dämme zu bestimmen. Das Besondere daran: Die Daten werden mit globalen Biodiversitätsdaten verknüpft, um die ökologisch kritischen Gebiete zu identifizieren. "Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse damit für Wissenschafter und politische Entscheidungsträger als wertvolle Grundlage bei der Erforschung und Förderung nachhaltiger Wasserkraftentwicklung dienen", sagt Zarfl. Das Wissen, wann und wo welche Dämme gebaut werden, sei dafür unabdingbar.

Die Daten zeigen, dass binnen der nächsten zwei Jahrzehnte weltweit 3.700 Großstaudämme hinzukommen werden. Dies könnte die Stromkapazität aus Wasserkraft nahezu verdoppeln. Das Wachstum wird jedoch bei Weitem nicht ausreichen, um die globale Stromnachfrage durch Wasserkraft auch nur annähernd zu decken, betonen die Forscher.

Die Stromgewinnung durch Wasserkraft müsse daher gründlich gegen die Beeinträchtigung von Wasserressourcen, biologischer Vielfalt und Ökosystemleistungen abgewogen werden. Dies beinhalte auch die Umsiedlung von Menschen, den Verlust natürlicher Ressourcen sowie eine unverhältnismäßige Verteilung von Kosten und Gewinnen. Die Wissenschafter fordern deshalb deutlich verbesserte Standards für die Errichtung und den Betrieb von Wasserkraftanlagen. Die sollen nicht nur helfen, die Stromerzeugung zu optimieren, sondern gleichzeitig auch deren negative Auswirkungen zu minimieren. (red, derStandard.at, 24.10.2014)