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Die Gemeindefusionen sind das momentan bestimmende politische Thema in der Steiermark.

APA/Robert Jäger

Graz – Jetzt, da alle Steirerinnen und Steirer wissen, dass es ihr Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) ein letztes Mal wissen will, wird's kompliziert. Denn was macht nun sein politischer Partner, ÖVP-Vizelandeschef Hermann Schützenhöfer? Sie wollten ja gemeinsam gehen – oder bleiben. Schützenhöfer und seine Partei sind aber noch nicht so weit. Es herrscht in der ÖVP ganz offensichtlich noch ein Hin und Her, ob Schützenhöfer noch einmal gegen – oder reformpartnerschaftlich "mit" – Voves bei der Landtagswahl im Herbst 2015 antreten soll. Auf die Gefahr hin, dass die ÖVP eine weitere Periode als Juniorpartner neben Voves auf der Regierungsbank sitzen muss. Worauf alle Umfragen bis dato hinweisen.

Eine Gruppierung innerhalb der Volkspartei drängt daher darauf, dass der smarte, um elf Jahre jüngere Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl den Favoriten Voves herausfordern soll. Was wiederum ein Ende des "Reformkurses" bedeuten könnte, zumal dieser mit den Personen Voves und Schützenhöfer verbunden ist. Schützenhöfer hat seinen Entschluss jedenfalls auf das Frühjahr, die Zeit knapp vor den Gemeinderatswahlen, verschoben.

FPÖ im Vormarsch

Was die Entscheidung zusätzlich brisant macht und beiden Parteien mächtig in den Knochen steckt, sind die Ergebnisse der letzten Nationalrats- und Eurowahlen: Bei der Nationalratswahl Ende September 2013 avancierte die FPÖ zur stimmenstärksten Partei im Bundesland, und auch bei den darauffolgenden Europawahlen im Mai 2014 waren die Blauen knapp am ersten Platz dran, die ÖVP behielt noch einen knappen Prozentpunkt Abstand. Der von Voves und Schützenhöfer initiierte und bundesweit als mutig honorierte Reformkurs hat das Bundesland einigermaßen aus dem Lot gebracht. Umfragen lokalen Medien zufolge spricht momentan wenig dafür, dass sich die Stimmung in den nächsten Monaten zugunsten von ÖVP und SPÖ wenden könnte.

Die in Kärnten tätige Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle spricht wegen des Vormarsches der Blauen scherzhaft schon davon, dass "die Steiermark das neue Kärnten" werden könnte.

Essenziell für die Steiermark werde sein, wie sich der offensichtliche Unmut in den Bezirken und Gemeinden wegen der Gemeindezusammenlegungen äußern werde. "Vielleicht haben Voves und Schützenhöfer Glück, und der Unmut wird schon bei den Gemeinderatswahlen abgearbeitet und hier einiges angefedert. Dann steht das Thema bei der späteren Landtagswahl nicht mehr so im Vordergrund." Sie habe selbst bei Diskussionen in der Steiermark erlebt, wie stark das Thema Gemeindefusionen emotionalisiere: "Ich hatte oft das Gefühl, ich bin auf einer Beerdigung. Ich hörte immer wieder: Man nimmt uns unsere Gemeinde weg."

Antihelden

Was hat die beiden eigentlich in diese doch prekäre Situation gebracht? Nach den Landtagswahlen 2010, die die SPÖ denkbar knapp mit einem Prozent Unterschied vor der ÖVP gewonnen hatte, ist Voves und Schützenhöfer klar geworden, dass wenn sie sich noch einmal fünf Jahre, wie zuvor, nur mit der Bekämpfung des jeweils anderen Regierungspartners beschäftigen, sie sich als Randnotiz in der steirischen Geschichte wiederfinden werden. Oder als Antihelden und Verschwender von Steuergeldern. Denn in der ersten Voves-Periode explodierten die Schulden. Geld schien abgeschafft, 2010 war das Ende der Fahnenstange erreicht.

Das Land steuerte auf den Bankrott zu. "Franz-Herrmann", wie das Reformduo mittlerweile außerhalb von Graz gerufen wird, blieb nichts anderes übrig als die öffentliche Wandlung vom Saulus zum Paulus. Sie mussten den Scherbenhaufen aufräumen. Der Kollateralnutzen: Das Land erlebt seither eine bisher undenkbare, enge, harmonische, ja freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen ÖVP und SPÖ.

Sozial Schwache

Dass sie am Anfang der Periode begannen, ausgerechnet bei den sozial Schwachen den Sparstift anzusetzen, um das Budget wieder in Ordnung zu bringen, provozierte Demonstrationen und das Unverständnis dutzender Sozialvereine, die nicht verstehen wollten, warum ausgerechnet die Streichung von Lernhilfen dazu beitragen soll, den Haushalt zu sanieren. Proteste rief auch die Spitalsreform hervor, zumal Sparprogramme auch Krankenhausstandorte betrafen. Verwaltungsreformen wie Einsparungen im Beamtenapparat oder auch die organisatorische Zusammenlegung von Bezirken gingen dabei völlig unter.

Thematisch dominiert wurde die ganze Legislaturperiode zweifelsohne von den Gemeindefusionen. Im Jahr 2010 hatte die Steiermark 542 Gemeinden, 2015 werden es 288 sein. Die Zusammenlegungen erwiesen sich als der schwerste Brocken. Nicht nur weil sich jetzt die FPÖ draufsetzt und als Schutzherrin der Bürgermeister Stimmen sammeln will.

Gegenwind

Voves und Schützenhöfer weht aus allen Bezirken Gegenwind ins Gesicht. Sie hatten Volksabstimmungen in den Gemeinden ignoriert und - im Selbstverständnis, das Richtige zu tun - Reformen wie die Gemeindezusammenlegungen auch gegen den Willen von Betroffenen durchgesetzt. Der Verfassungsgerichtshof gab Voves und Schützenhöfer zwar recht, in den Gemeinden aber brodelt's. In zahlreichen Orten dürften grantige Bürgermeister, deren Gemeinden zwangsfusioniert wurden, eigene Listen gründen. Diese Listen sind - neben der FPÖ - eine weitere große Unbekannte in den Planspielen von SPÖ und ÖVP. Damit nicht genug. Auch die Neos, die KPÖ und sogar das Team Stronach, das in der Steiermark bei den Nationalratswahlen fast zehn Prozent erreichte, könnten eine Rolle spielen und SPÖ und ÖVP wertvolle Prozente wegnehmen. Und auch die Grünen wollen diesmal hinaus aus den Städten und in den Umbruchgemeinden punkten.

Voves und Schützenhöfer verfügen gemeinsam über drei Viertel der Stimmen, 75 Prozent. Sie müssten schon 25 Prozent verlieren, um einen Dritten in die Regierung holen zu müssen. Allerdings bei all den Imponderabilien: "Wenn die Stimmung weiter rutscht, ist gar nichts auszuschließen", sagt Politikexpertin Stainer-Hämmerle. (Walter Müller, DER STANDARD, 28.10.2014)