Wirkungsvoll: Bilder, Schnulzen und Schlager für das Volk.

Foto: Viennale

Dass Staaten auf Bildern beruhen, ist inzwischen vielfach begriffen und erforscht worden. Man muss sich etwas vorstellen können, wenn man von einem Gemeinwesen spricht. Manche Staaten betreiben eine offensive Politik der Bilder, andere eine eher defensive. Das kommunistische Nordkorea dürfte jedoch einsam an der Spitze der Staaten liegen, die sich beinahe mit einem Bilderverbot umgeben.

Dieses gilt allerdings nur nach außen, denn in der Kommunikation mit dem Staatsvolk gibt es eine geradezu opulente Bildproduktion, aus der die Massenchoreografien bei offiziellen Veranstaltungen herausragen. Aber auch Fernsehserien, Filme und die Inszenierung der Herrscherdynastie spielen eine wichtige Rolle.

Die aus Südkorea stammende Soon-Mi Yoo, die in den USA lebt und dort an linken Initiativen wie dem Kollektivfilm Far from Afghanistan (2012) beteiligt war, hat ihre erste eigene, abendfüllende dokumentarische Arbeit dem schwer zugänglichen Bruder- und Nachbarland gewidmet. Sie interessiert sich sehr stark für diese offizielle Bildproduktion - ihre Recherche findet zu einem wichtigen Teil in den Archiven statt.

Songs from the North kann man als Titel deswegen wörtlich nehmen: Schlager und Schnulzen, in denen von den antikolonialen Heldentaten des "großen Führers" und Staatsgründers Kim Il-sung erzählt wird, bilden einen wesentlichen Teil des Films. Die andere, die subjektive Seite ist die der Filmemacherin selbst, die nach Nordkorea reist, dort auch (oft heimlich) filmt, und die sich selbst mit verhaltener Verwunderung in die Menschen hineinzudenken versucht, die von der Propaganda adressiert werden.

Die bedrängendsten Szenen findet Soon-Mi Yoo dort, wo Kinder zu den Vertretern der Indoktrination werden. Sie spielen ein Spiel mit, dessen Bedingungen sie nicht begreifen können und sollen - genau das ist die Pointe von Ideologien. Dem steht hier ein kluger Film gegenüber, halb Essay, halb Direct Cinema, der allerdings auf einer entscheidenden Verschiebung beruht: Die Außenperspektive, die Soon-Mi Yoo einnimmt, ist die der in Freiheit geborenen, eine Freiheit, die sie allerdings skeptisch hinterfragt. Der Norden, das ist das gefrorene Wunschbild eines idealen Gemeinwesens. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 28.10.2014)