Brüssel - Im Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland hat sich EU-Energiekommissar Günther Oettinger vor Beginn weiterer Verhandlungen am Mittwoch zurückhaltend über die Chance auf eine Einigung geäußert. Er veranschlage die Wahrscheinlichkeit bei 50 Prozent, dass die Verhandlungen am Mittwoch in Brüssel zum Abschluss gebracht werden könnten, sagte Oettinger im ZDF.

Unmittelbar vor Beginn der Gespräche machte der CDU-Politiker erneut deutlich, dass es derzeit nur darum gehe, eine Vereinbarung für den nahenden Winter zu treffen. An den Gesprächen nehmen neben Oettinger die Energieminister Russlands und der Ukraine sowie die Chefs der jeweiligen Gasversorger Gasprom und Naftogas teil.

Knackpunkt der Verhandlungen ist laut Oettinger die Begleichung der Rechnungen an Gasprom durch die Ukraine. Die Regierung in Kiew benötige 1,5 Milliarden Dollar 1,18 Milliarden Euro), um gut über den Winter zu kommen und die Lieferungen wie von Russland verlangt im Voraus begleichen zu können. "Die Ukraine hat schon ein großes Zahlungsproblem, sie ist praktisch insolvent", sagte Oettinger dem ZDF. Es falle der Regierung in Kiew daher "sehr schwer", die Milliardenhilfen, die sie vom Internationalen Währungsfonds und der EU bekomme, für Gaseinkäufe zu verwenden.

Andere Prioritäten

Die Regierung betrachte andere Aufgaben derzeit als wichtiger, etwa Gehälter zu zahlen, Straßen instand zu setzen und Waffen zu kaufen. "Aber wir müssen sie letztendlich dazu bringen, dass sie einen Teil der Hilfsmittel für Gas ausgeben." Das sei im Interesse der ukrainischen Gasversorgung ebenso notwendig wie im Hinblick auf die Transitleistungen Richtung Westeuropa.

Für Oettinger dürfte die Gesprächsrunde die letzte Chance auf eine Einigung sein, da er am Samstag offiziell ins Digitalressort der Kommission wechselt. Danach sind der Slowake Maros Sefcovic und der Spanier Miguel Arias Cañete für Energiethemen zuständig.

Oettinger wies darauf hin, dass die ukrainischen Gasspeicher mit 17 Milliarden Kubikmetern voller seien als je zuvor. Zudem lägen bereits 3,1 Milliarden Dollar auf einem Sonderkonto für die Ukraine bereit, so dass sich der offene Betrag auf 1,5 Milliarden Dollar belaufe.

Russland und die Ukraine hatten bereits 2006 und 2009 über Gaslieferungen gestritten, wodurch auch in Westeuropa im Winter weniger Gas angekommen war. Die EU bezieht rund ein Drittel ihres Gasbedarfs aus Russland. Etwa die Hälfte davon fließt durch die Ukraine. (Reuters, DER STANDARD, 30.10.2014)