Wegen der politischen Spannungen zwischen Russland und der EU haben insbesondere die nordeuropäischen Länder einen deutlichen Rückgang bei den Touristen aus Russland verzeichnet. "Der russische Tourist hat ein Selbstwertgefühl", sagte Russlands Vizeministerin für Kultur- und Tourismus, Alla Manilova, im Gespräch mit der APA, "man fährt eben lieber dorthin, wo man willkommen ist."

Südliche Länder haben kaum Einbußen

"Die Länder, die sich durch eine antirussische Rhetorik hervorgetan haben, sind in Russland wohlbekannt", sagte Manilova am Rande des Besuchs einer russischen Wirtschaftsdelegation in Wien, an dem Vertreter von russischen Tourismusverbänden, Tourismusminister der russischen Regionen und Vertreter russischer Tourismusunternehmen teilnahmen.

In den Ländern Nordeuropas werde etwa die Hälfte der bisherigen Besucher aus Russland wegbleiben, sagte Manilova. Die südlichen Länder wie Spanien oder Italien würden kaum Einbußen zu verzeichnen haben, während der Rückgang in den mitteleuropäischen Ländern durchschnittlich 15 bis 20 Prozent betragen werde.

Zwei Millionen Übernachtungen

2013 kamen nach russischen Aufzeichnungen 513.000 russische Touristen nach Österreich und buchten zwei Millionen Übernachtungen. Heuer seien es von Jänner bis August um 8,2 Prozent weniger gewesen, in Wien um 10,7 Prozent weniger. Rund 33.000 Österreicher reisten im ersten Halbjahr 2014 nach Russland (-1,5 Prozent), das waren vor allem Geschäftsreisen.

Ein Grund für den Rückgang russischer Touristen in Westeuropa sei zwar der Wertverlust des russischen Rubel gegenüber dem Euro, erklärte Manilova, aber immer wichtiger sei den Russen neben dem Preis und der Qualität des Angebots auch das Gefühl, willkommen zu sein. Während ausländische Touristen in Russland rund 1.500 Euro pro Woche ausgeben, lassen Russen in Österreich im Schnitt 153 Euro pro Tag, geht aus der russischen Statistik hervor.

Italien bemüht sich sehr

"Die Italiener bemühen sich sehr und unternehmen riesige Anstrengungen, den Russen dieses Gefühl zu geben", sagte Manilova. Die italienische Tourismusbranche habe sogar ein eigenes Programm mit dem Namen "Russia Friendly" gestartet, in dem das Personal speziell im Umgang mit russischen Touristen geschult werde. Auch sei Italien dazu übergegangen, Russen langfristige Visa mit zwei Jahren Laufzeit auszustellen und schöpfe damit alle Möglichkeiten aus, die es im Rahmen des Abkommens zwischen der EU und Russland aus dem Jahr 2005 habe. Zur österreichischen Praxis bei der Ausstellung von Visa an Russen äußerte sich Manilova zurückhaltender: "Wir haben jedenfalls keine Probleme oder Beschwerden von russischen Touristen zu verzeichnen, es läuft alles reibungslos."

"Italien, Spanien und Griechenland sind die beliebtesten Urlaubsländer der Russen, und das wird noch länger so bleiben", erklärte Manilova. Für reine Badeurlaube seien auch die Türkei und Ägypten sehr beliebt.

"Verbinden mit Österreich nichts Negatives"

Auch Österreich sei in einer sehr guten Position, "weil unsere Leute Österreich mögen und Wien lieben. Wir verbinden mit Österreich nichts Negatives, weder historisch noch aktuell". Die Menschen seien freundlich eingestellt, respektierten die Geschichte und die Denkmale.

Der jahrelange Dialog zwischen der EU und Russland mit dem Ziel, die Visapflicht abzuschaffen, sei von Seiten der EU jetzt ganz eingestellt worden, sagte Manilova. "Seit die EU zumindest temporär von diesem Dialog absieht, sind wir in einer aktiven Verhandlungsphase mit Drittländern. Beispielsweise könnten seit 2013 Südkoreaner visumfrei nach Russland einreisen, was zu einer Zunahme südkoreanischer Touristen in Russland um 70 Prozent geführt habe. "Ähnliches gilt für China und die Türkei."

Am russischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) habe der Tourismus direkt und indirekt einen Anteil von 5,8 Prozent, berichtete Manilova. "Das ist natürlich nicht genug, da können wir durchaus noch wachsen." Die Tourismuserlöse betrugen 2013 rund 640 Mrd. Rubel (12,06 Mrd. Euro). Vom Rückgang der Auslandsreisen russischer Touristen profitiere der Inlandstourismus: "Wir rechnen mit einem 15-prozentigen Zuwachs für 2014." (APA, derStandard.at; 31.10.2014)