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Der frühere polnische Ministerpräsident Donald Tusk (links) hat noch einen Monat Zeit, um sich auf das Amt des Ständigen Ratspräsidenten nach Herman Van Rompuy vorzubereiten. Jean-Claude Juncker hat ab sofort weniger zu lachen, seine Kommission ist seit 1. November im Amt.

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"Ich kann das jetzt hier nicht sofort beantworten. Geben Sie uns noch ein bisschen Zeit, ein paar Stunden." Margaritis Schinas hat es nicht einfach. Der neue "erste Sprecher" des ebenso neuen Kommissionspräsidenten hatte am Montag gerade zwanzig Minuten der ersten offiziellen Pressekonferenz nach dem Amtsantritt des Juncker-Teams absolviert, als er von britischen Journalisten mit Detailfragen gelöchert wurde.

Aber Schinas fiel partout nicht ein, nach welchen Modalitäten und Zinssätzen Strafen für EU-Mitglieder berechnet werden, die bei der Zahlung ihrer Mitgliedsbeiträge säumig sind. "Der zuständige Kollege hat gerade erst seinen letzten Umzugskarton ausgepackt", appellierte Schinas an den insistierenden Fragesteller und bot an: "In vielleicht schon einer Stunde schicken wir die Antwort."

Die Episode war am Montag nicht untypisch für den Auftakt der fünf Jahre dauernden "Amtsperiode" des Kollegiums: Es gibt keinerlei Schonzeit für die Neokommissare und ihre Mitarbeiter. Bereits heute, Dienstag, wird der bisherige Eurokommissar Jyrki Katainen (der ab nun als Vizepräsident für Wachstum und Investitionen zuständig ist) gemeinsam mit seinem Nachfolger Pierre Moscovici die Herbstprognose der Kommission vorstellen. Es sieht düster aus für das Wirtschaftswachstum – und die Budgets der Eurostaaten. Im Frühjahr hatte man noch ein Wachstum von 1,2 Prozent in der Eurozone vorausgesagt, 2015 von 1,7 Prozent. Für heuer droht ein Absacken unter ein Prozent.

Am Mittwoch folgt die erste offizielle Sitzung der gesamten Kommission, kommenden Freitag tagen die EU-Finanzminister, unter anderem zum heiklen Thema einer Beitragsnachzahlung für Großbritannien im Umfang von 2,1 Milliarden Euro. Premier David Cameron will nicht zahlen.

Das war auch der Hintergrund der Strafzahlungsfrage an den Juncker-Sprecher Schinas. Der Präsident ließ klarstellen, dass er keinerlei Nachlass oder Nachsicht zeigen werde, was die britischen Beiträge betrifft. Eine Auseinandersetzung mit Großbritannien scheint unausweichlich – und auch gleich noch eine weitere mit Frankreich wegen der Überschreitung des Budgetdefizits.

Für Juncker begann die Arbeit in Brüssel mit einem Ausflug in die Vergangenheit und einem Abstecher nach Frankfurt. Dort wurde ein neues Buch des früheren deutschen Kanzlers der Einheit, Helmut Kohl, vorgestellt. Juncker, der Kohl als eines der großen Vorbilder gewählt hat, neben seinem Vorgänger als Kommissionspräsident, Jacques Delors, hielt die Festansprache. Kohl sei "ein deutscher und ein europäischer Patriot", der stets Ressentiments gegen andere Länder abgewehrt habe, sagte der Luxemburger. Kohl stehe dafür, dass der Euro "Friedenspolitik mit den Mitteln unserer Zeit ist".

Dacapo von Ashton zu Iran

Eine nicht alltägliche Lösung gibt es für die laufenden Atomgespräche der Union mit dem Iran und internationalen Partnern im Streit um das iranische Nuklearprogramm. Catherine Ashton wird die Verhandlungen seitens der EU weiterführen, bestätigte die Sprecherin des EU-Außendienstes, obwohl sie am 1. November von Federica Mogherini als Außenbeauftragte offiziell abgelöst worden war.

Die Britin wird dabei als Beauftragte der Italienerin agieren. "Das Hauptziel ist der Abschluss der Verhandlungen in Wien am 24. November", so die Sprecherin. Über diesen Termin hinausgehende Fragen, ob Ashton eventuell länger im EU-Dienst tätig wird, wollte man nicht beantworten.

Am kommenden Freitag treffen sich Vertreter der fünf Atommächte plus Deutschlands in Wien. Ashton wird den iranischen Außenminister Mohammed Zarif treffen, anschließend US-Außenminister John Kerry. Es gebe noch einige Differenzen zu klären, heißt es vom Europäischen Auswärtigen Dienst. Der Iran strebt nach elf Jahren des Atomkonflikts die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen an. Die westlichen Staaten wollen Garantien für die Kontrolle der Urananreicherung. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, 4.11.2014)