Die Gesundheitsmangerin Nicole Jakob will die Risikokompetenz von Medizinern erhöhen.

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Von 1000 Leuten in einer Kleinstadt sind 500 Mitglieder im Gesangsverein. Von diesen 500 Mitgliedern sind 100 Männer. Von den 500 Einwohnern, die nicht singen, sind 300 männlich.

Für ihre Masterarbeit an der FH Burgenland fragte Nicole Jakob Mediziner, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein zufällig ausgewählter Mann ein Mitglied dieses Vereins ist. Für ihre Studie wurde Jakob mit dem Innovation Award 2014 ausgezeichnet, der heuer erstmals von den FH-Gesundheits-Studiengängen vergeben wurde.

Jakob richtete ihre Befragung an 4125 Gesundheitsexperten aus 15 verschiedenen Berufsgruppen: Ärzte, medizinisches Pflegepersonal und Therapeuten stellten sich etwa den Wahrscheinlichkeitsrechnungen. "Der Test ist ein gutes Mittel, die Risikokompetenz einzuschätzen", sagt die 26-Jährige. Nach nur drei Fragen könne eine Einschätzung über das Zahlenverständnis einer Person abgegeben werden. "Die erste Frage ist für alle dieselbe. Diejenigen, die eine richtige Antwort abgeben, bekommen eine schwerere, wer sie falsch beantwortet, eine leichtere", erklärt Jakob den Test. 612 Fragebögen konnten schließlich vollständig ausgewertet werden.

"Das Ergebnis", sagt die Absolventin des FH-Studiengangs Management im Gesundheitswesen, "war allerdings wenig erfreulich: Generell haben wir einen durchschnittlichen Wert gefunden." Dieser liegt bei 2,03 Punkten. Nach dem Berlin Numeracy Test werden die Punktewerte von ein bis vier zugewiesen, wobei ein Punkt sehr gutes und vier Punkte mangelhaftes Zahlenverständnis bedeuten.

Mediziner müssten Fragen der Patienten beantworten, etwa wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Krankheit auftritt, oder ihnen genauer erklären können, was es bedeutet, wenn drei von hundert Patienten Nebenwirkungen auf Medikamente bekommen. "Sie sollten ihr Wissen und Zahlenverständnis an Patienten weitergeben", sagt Jakob.

"Mangelhaftes Zahlenverständnis"

Dass 49 Prozent der Befragungsteilnehmer ein "eher mangelhaftes Zahlenverständnis" aufweisen, sei "sehr besorgniserregend". Denn "jeder Gesundheitsberuf ist tagtäglich mit Zahlen beschäftigt", sagt sie. Medizinisches Personal müsste auf der Basis von Zahlen Entscheidungen für die Behandlungen treffen, "hier zählt die Risikokompetenz der Mediziner".

Dass das Thema mit ihrer Auszeichnung größere Aufmerksamkeit erlangt hat, freut die Burgenländerin: "Es wurde viel Bewusstsein für diese Defizite im Gesundheitsbereich geschaffen." In den USA und Deutschland seien solche Studien bereits gang und gäbe.

Im kommenden Jahr findet erstmals ein von Jakob - nach den Ergebnissen ihrer Masterarbeit - konzipiertes Seminar statt. Dieses wird am Physiozentrum für Weiterbildung in Wien, wo Jakob seit 2011 für Kursentwicklung und Marketing zuständig ist, abgehalten. "Es ist wichtig, bei der medizinischen Fortbildung anzusetzen und diese zu verbessern."

Für Jakob sei dies schon "von Kindesbeinen an" spannend gewesen. Gesundheit war "immer ein Thema" für sie. Jedoch nie in einem "pathologischen Sinn", also auf die Patientenversorgung gerichtet, sondern "immer auf Management bezogen", sagt sie.

Die Wahrscheinlichkeit, dass einer der zufällig gewählten Männer im Gesangsverein ist, liegt übrigens bei 25 Prozent. (Oona Kroisleitner, DER STANDARD, 5.11.2014)