Seltenes Zusammentreffen von Todfeinden: Ein junger Puma hat sich im Yellowstone-Nationalpark vor Kojoten (nordamerikanischen Steppenwölfen, die kleiner sind als richtige Wölfe) auf einen Zaun geflüchtet.

Foto: U.S. Fish and Wildlife Service

Als 1995 im Yellowstone-Nationalpark im Nordwesten der USA nach 60 Jahren wieder Wölfe angesiedelt wurden, galt das als großes Artenschutzexperiment. Bald zeitigte es erste Erfolge: Die Rudel dezimierten flugs die Wapitihirsch-Population, den dortigen Erzfeind aller jungen Bäume. Damit reduzierten die Wölfe zugleich auch die Konkurrenz der Grizzlys bei der Beerenernte.

Indirekt lockten die Wölfe so auch wieder Biber in den Nationalpark im US-Bundesstaat Wyoming, denn die fanden jetzt junge Bäume als Nahrung und für ihre Bauten - während zuvor kaum ein junger Trieb dem Verbiss der Wapitis entgangen war.

Einer allerdings wurde in den bisherigen Ökobilanzen des Experiments vergessen: der Puma. Wo Wölfe neu angesiedelt werden, ziehen sich Pumas konsequent zurück, zeigen US-Forscher jetzt in einer vom "Journal of Zoology" veröffentlichten Langzeitstudie. Die Biologen der auf den Schutz von Großkatzen spezialisierten New Yorker Organisation Panthera kennen auch den Grund: Wölfe sind vor allem für junge Berglöwen eine tödliche Gefahr.

Eigentlich sind Pumas Generalisten bei der Wahl ihres Lebensraums. Gebirgswald, Halbwüste, Tropen, Steppe - jede Landschaft zwischen Kanada und Patagonien ist ihnen recht. So wurden sie zum Landsäugetier mit der weitesten Verbreitung in der gesamten westlichen Hemisphäre. Während Pumas in Mittel- und Südamerika durch Wilderei und Zerstörung von Lebensraum unter Druck stehen, breiten sie sich in den USA wieder nach Osten aus und sind in vielen Staaten des Mittleren Westens erneut heimisch.

Verdrängung aus dem Park

Doch im Yellowstone-Nationalpark hat in den letzten Jahren ein beinharter Verdrängungskampf stattgefunden, wie das Team um die Panthera-Biologen Patrick Lendrum und Mark Elbroch rekonstruieren konnte. Die Forscher hatten Pumas in den Rocky Mountains mit Radio- und GPS-Halsbändern ausgestattet und zehn Jahre lang Ortungsdaten gesammelt und ihre Aufenthaltsorte analysiert. Von 28 Berglöwen wurden im Speziellen die Jagdgebiete im Grand-Teton-Nationalpark im Süden des Yellowstone-Naturraums ausgewertet.

Die Forscher wollten mit ihrer Studie auch herausfinden, ob den Berglöwen der Schutz vor Wolf und Mensch wichtiger ist als ein gutes Futterangebot. Eigentlich gehen Pumas den Menschen von Natur aus großräumig aus dem Weg. Zudem werden sie in Wyoming außerhalb der Parkgrenzen gejagt. Die Studie zeigte aber etwas anderes: Pumas scheuten die Nähe zu Straßen und damit die von Menschen sehr viel weniger als die von Wölfen. Die einfache Erklärung: Die Straßen im Nationalpark folgen Gewässern, an denen sich wiederum Wild sammelt - die Beute der Pumas.

"Überall wählten Pumas Jagdgebiete mit nur einem Sicherheitsmerkmal: Distanz zu Wölfen", resümieren die Forscher. Die Raubkatzen wählten als Revier stets die Areale mit dem besten Nahrungsangebot - es sei denn, Wölfe waren in der Nähe. Dieser Wolfseffekt beeinträchtigt laut den Forschern nicht nur die Überlebensaussichten junger Pumas, sondern auch ihre Chancen, später neue Reviere zu finden. Und damit gerate die gesamte Populationsdynamik ins Wanken. (Kai Althoetmar, DER STANDARD, 5.11.2014)