Waffenschmiede bei Nacht: Johann Lurf nähert sich mit "Embargo" dem österreichischen Rüstungskomplex auf Sichtweite.

Foto: Johann Lurf

Wien - Die Shopping City Süd und das Gelände drum herum kann man gut und gern als Inbegriff eines Wiener "sprawls" begreifen. So nennt man in der ganzen Welt das wuchernde Umland von Städten, in denen zwischen Einkaufszentren, Gewerbestätten und Verkehrsknoten kaum noch Landschaft bleibt. Es fällt schwer, hier mit Architektur auf sich aufmerksam zu machen. Es sei denn, man baut eine Picture Perfect Pyramid.

So nennt der Filmemacher Johann Lurf das Gebäude in Sichtweite der SCS, das ein Hotel, ein Tagungszentrum und eine Wellnesslandschaft enthält. Eine Pyramide, wie für Fotos gemacht. So erscheint sie auch in seinem gleichnamigen Film aus dem Jahr 2013, einer fünf Minuten langen Umkreisung dieses "Landmark"-Gebäudes, das hier manchmal wie ein gelandetes Raumschiff wirkt, ein Fremdkörper in einer Landschaft, die durch die Pyramide insgesamt verfremdet wird.

Waffenindustrie in Österreich

Bei einem Filmabend in der Reihe Schauplätze wird Johann Lurf am 26. November mit Picture Perfect Pyramid (2013) und Reconnaissance (2012) zwei kürzere Arbeiten ohne Ton zeigen, die er als "Rahmung" für seinen neuen, etwas längeren Film Embargo versteht, an dem er in diesen Tagen gemeinsam mit dem Musiker Jung an Tagen noch letzte Hand anlegt. "Es geht um die Waffenindustrie in Österreich", erzählt Lurf. "Ich sammle visuelle Informationen und mache dazu längere Kamerafahrten rund um die Objekte. Wo liegt das Gebäude in der Landschaft? Was stehen dort für Fahrzeuge herum?"

Der Titel Embargo ist bewusst zweideutig gewählt, denn einerseits unterliegen viele mögliche Märkte für die Waffenindustrie einem Embargo, andererseits ist diese, um in Ruhe arbeiten zu können, darauf angewiesen, dass nach Möglichkeit ein Informationsembargo in eigener Sache wirksam wird. Waffenfirmen sind nicht gern in den Medien. Lurf bringt sie nun eben in den Kunstbetrieb.

2007 machte er mit seinem Experimentalfilm Vertigo Rush weithin auf sich aufmerksam, einer virtuos gestalteten Abfolge von "dolly zooms", also von Einstellungen, in denen die Kamera zugleich innen und außen bewegt wird, um es ein wenig plastisch zu sagen. 2014 stellte er neben Embargo auch noch Twelve Tales Told fertig, eine brillante Montage von Hollywood-Firmenlogos, die vor jedem Film mit Kennmelodie gezeigt werden, und die Lurf zu einem technoiden Fantasy-Malstrom zusammenmixt.

Still liegt der Staumdamm

Das Schauplätze-Programm im Mumok zeigt hingegen andere Verfahrensweisen, die dem konzeptuellen Dokumentarismus zugeordnet werden können: eine Beobachtungsarbeit an der Grenze zwischen Aufzeichnung und Abstraktion. Wobei Lurf im Gespräch den Aspekt der Abstraktion eher herunterspielt. "Es geht darum, etwas zu sehen, wovon man normalerweise eher hört." In Reconnaisance filmte er einen Staudamm in Amerika, der keinem Kraftwerk mehr dient. Bis heute ist dort ein Sperrgebiet, weil man an diesem Ort, den Lurf als verwunschene Monumentalarchitektur zeigt, lange Zeit Torpedos erprobte.

Mit der Aufklärungsarbeit ("reconnaissance") wird ein weiteres Motiv für Embargo benannt, der sich jedoch nicht nur an der distanziert-ausgesperrten Beobachterposition inspiriert, die ein Filmemacher gegenüber dem militärisch-industriellen Komplex in der Regel einnimmt. Lurf nennt noch einen anderen Ausgangspunkt: "Im Irakkrieg sahen wir erstmals diese Videos, in denen man Bomben zusehen konnte, wie sie auf das Ziel zuflogen. Ich wollte mit meinem Kamerafahrten die Richtung umkehren, und auf den Herstellungsort zurückgehen."

Platz der Rüstungsfirmen

Wobei der Filmemacher eben gerade nicht "einschlägt", sondern seine eigene Distanz im Bild mitreflektiert. "Was für einen Platz beanspruchen diese Rüstungsfirmen?", fragt Lurf, und er meint das offensichtlich in einer doppelten Hinsicht. Mit der Kamera vermisst er ganz konkret diesen Platz, er möchte aber auch, dass die Gesellschaft den beanspruchten Platz, nun im übertragenen Sinn, in den Blick bekommt. Embargo ist in diesem Sinn ein Film, der sich selbst zum Schauplatz und Ausgangspunkt einer politischen Auseinandersetzung macht. (Bert Rebhandl, Spezial, DER STANDARD, 7.11.2014)