Unmenschlichkeiten, die von IS im Namen der Religion begangen werden, bewirbt die Propagandamaschinerie im Netz, als ob sie nur Schuhe verkaufen würde statt Mordaufträge. Oder Sportveranstaltungen oder die Mitgliedschaft in einer lustigen Jugendorganisation. Vor geköpften Leichen selig in die Kamera grinsende Burschen. Mädchen, die plötzlich die wahre Freiheit nur unter Vollverschleierung als sexueller Back-up eines Mannes, der zu töten und zu foltern bereit ist, finden. Dieser Reiz der maßlosen Brutalität und der Ausgrenzung, die bereits bekannte faschistoide Züge trägt, hat etwas nicht Nachvollziehbares, Erschreckendes und Abstoßendes. Auf der anderen Seite: verzweifelte Eltern, die diesem Drang ihrer Kinder nichts entgegenzusetzen wissen, oder das Leid derer, die sich integriert haben und nun nur aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Religion in einen Topf mit den Jihadfans geworfen werden.

Der jüngste Übergriff auf ein Flüchtlingsheim zeigt Tendenz zur Sippenhaft. Oder Bombendrohungen gegen Moscheen. Die gewalttätigen Demonstrationen von Hooligans gegen Salafisten (bei denen jene Beamten, die die Demonstration schützen, von den Beschützten angegriffen werden) wären eigentlich guter Stoff für Monty Python. Oder für South Park. Jedenfalls nichts, das man gerne in der Realität wiederfindet. Die Ausgrenzung aller Fremden treibt aber umso mehr frustrierte Ausgegrenzte mitten in die Arme der werbenden Hintermänner. Nicht nur werden Hater weiter haten. Hater werden neue, ebenfalls hatende Hater hervorbringen, und diese wieder andere. Ein Circulus vitiosus, der zum Perpetuum mobile mutieren kann. Die Exekutive benötigt neue Art von Rüstzeug. Und die Angehörigen Betroffener benötigen neue Art der Unterstützung.

Die Wachsamkeit der Zivilgesellschaft ist ein möglicher Beitrag zur Entschärfung, nur einer von vielen, vielen nötigen. Wichtig ist eine klare Grenzziehung. Was in einer freien Gesellschaft keinesfalls toleriert werden kann: Verfolgung Andersgläubiger, Aufdrängen eigener Überzeugung, Entwertung von Frauen und Homosexuellen. Die FPÖ, die hier gern zündelt, sollte sich nicht zu früh freuen. Im Zerrspiegel einer jeden Entwertungskultur könnte sie sich durchaus ab und an wiedererkennen. Wenn denn Reflexion eine ihrer Stärken wäre. (Julya Rabinowich, DER STANDARD, 8./9.11.2014)